Verborgene Muster
Fußsohlen betrachtete er sich zufrieden im
Badezimmerspiegel und summte ein Kirchenlied.
Manchmal war es gut, am Leben zu sein. Manchmal.
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XI
Jim Stevens kippte sich drei weitere Aspirin in den Mund und spülte mit Orangensaft nach. So
eine Schande, in einer Bar in Leith gesehen zu werden, wie man Orangensaft nuckelte, doch schon
bei der Vorstellung, auch nur ein halbes Pint von dem kräftigen, schäumenden Bier zu trinken,
wurde ihm übel. Er hatte viel zu viel auf dieser Party getrunken, viel zu viel, zu schnell und in
zu vielen Kombinationen.
Leith versuchte, sein Image zu bessern. Irgendwer hatte beschlossen, es ein bisschen aufzumöbeln.
So gab es dort jetzt Cafés und Weinbars in französischem Stil, Studiowohnungen und
Delikatessenläden. Doch es war immer noch Leith, immer noch der alte Hafen, ein Echo seiner
glorreichen und wilden Vergangenheit, als Bordeauxweine noch gallonenweise entladen und von einem
Pferdekarren herab auf der Straße verkauft wurden. Wenn auch von Leith sonst nicht viel übrig
geblieben war, es würde immer die Mentalität eines Hafens behalten und die typischen
Hafenkaschemmen.
»Mein Gott«, dröhnte eine Stimme hinter ihm, »dieser Mann trinkt alles in Doppelten, selbst Soft
Drinks!«
Eine schwere Faust, zweimal so groß wie seine eigene, landete auf Stevens' Rücken. Eine
dunkelhäutige Gestalt machte sich auf dem Hocker neben ihm breit. Die Hand blieb beharrlich da,
wo sie war.
»Hallo, Podeen«, sagte Stevens. Er fing in der stickigen Kneipenluft an zu schwitzen, und sein
Herz hämmerte - die letzten Symptome eines Katers.
Er konnte riechen, wie der Alkohol aus seinen Poren dunstete.
»Meine Güte, James, mein Junge, was zum Teufel säufst du denn da? Barmann, mach diesem Mann
schnell einen Whisky. Sonst kommt er noch von dieser Kinderplörre um!«
Unter schallendem Lachen nahm Podeen seine Hand gerade so lange vom Rücken des Reporters, dass
der Druck nicht mehr zu spüren war, bevor er sie wieder klatschend darauf niedersausen ließ.
Stevens fühlte, wie seine Eingeweide rebellierten.
»Was kann ich denn heute für dich tun?«, sagte Podeen nun sehr viel leiser.
Big Podeen war zwanzig Jahre lang Seemann gewesen und hatte die Narben und Scharten von etwa
tausend Häfen an seinem Körper. Wie er heutzutage sein Geld verdiente, wollte Stevens gar nicht
wissen. Manchmal verdingte er sich als Rausschmeißer in Pubs auf der Lothian Road oder in
zweifelhaften Kaschemmen in Leith, doch das war, was seine Einkünfte betraf, wohl nur die Spitze
des Eisbergs. Podeens Finger starrten dermaßen vor Dreck, als hatte er eigenhändig jedes krumme
Geschäft aus dem modrigen, fruchtbaren Boden unter ihm erschaffen.
»Eigentlich nichts, Big Man. Ich denke nur über ein paar Dinge nach.«
»Barmann, besorgst du mir ein Frühstück? Von allem doppelte Portion.«
Der Barmann, der vor Podeen beinah salutierte, verschwand, um die Bestellung weiterzugeben.
»Siehst du«, sagte Podeen, »du bist nicht der Einzige, der von allem das Doppelte bestellt, was,
Jimmy?«
Die Hand hob sich erneut von Stevens' Rücken. Er verzog das Gesicht, weil er auf den nächsten
Schlag wartete, doch der Arm landete stattdessen neben ihm auf der Bar. Er seufzte hörbar
auf.
»Hast wohl 'nen harten Abend hinter dir, Jimmy?«
»Ich wünschte, ich könnte mich daran erinnern.«
Er war sehr spät am Abend in einem der Schlafzimmer eingeschlafen. Dann war ein Paar
hereingekommen. Die hatten ihn ins Badezimmer getragen und in die Wanne gelegt. Dort hatte er
zwei Stunden geschlafen, vielleicht auch drei. Als er aufwachte, waren sein Hals, sein Rücken und
die Beine grausam steif. Er hatte etwas Kaffee getrunken, aber nicht genug, bei weitem nicht
genug.
Und dann war er durch die kühle Morgenluft gelaufen, hatte in einem Zeitungsladen mit ein paar
Taxifahrern geplaudert, in einem der großen Hotels auf der Princes Street mit dem verschlafenen
Nachtportier in dessen Kabäuschen gesessen und süßen Tee mit ihm getrunken und über Fußball
geredet. Doch er hatte gewusst, dass er hier enden würde, denn es war sein freier Vormittag und
er hing wieder an dieser Drogengeschichte, seinem privaten Hobby.
»Wird hier im Moment viel Stoff verschoben, Big?«
»Tja, das kommt drauf an, wonach du suchst, Jimmy. Man munkelt übrigens, dass du langsam ein
bisschen zu neugierig wirst. Am besten hältst du dich an die sicheren Drogen. Lass die Finger von
dem harten Stoff.«
»Soll das eine gut gemeinte
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