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Verborgene Muster

Titel: Verborgene Muster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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hinter die Trennwand. Rebus, dessen Nerven zum Zerreißen gespannt waren,
betrachtete Reeves Rücken. Seine Muskeln waren von einer Fettschicht bedeckt, die auf ein
bequemes Leben schließen ließ. Ein Bibliothekar. Ein Kinder-Bibliothekar. Und Edinburghs
hauseigener Massenmörder. Hinter der Trennwand waren Regale voller Bücher. Einige waren
willkürlich aufeinander gestapelt, andere ordentlich aufgereiht, Buchrücken an Buchrücken.
»Die müssen alle neu einsortiert werden«, sagte Reeve mit einer gebieterischen Handbewegung. »Du
warst es, der mein Interesse für Bücher geweckt hat, John. Kannst du dich erinnern?«
»Ja, ich habe dir Geschichten erzählt.« Rebus hatte angefangen, über Michael nachzudenken. Ohne
ihn wäre Reeve vielleicht nie gefunden worden, vielleicht noch nicht mal in Verdacht geraten. Und
jetzt würde er ins Gefängnis kommen. Armer Mickey.
»Wo hab ich es gleich hingetan? Ich weiß, dass es irgendwo ist. Ich habe es beiseite gelegt, um
es dir zu zeigen, falls du mich je finden würdest. Du hast weiß Gott lange dafür gebraucht. Du
warst nicht sehr helle, was, John?«
Es war leicht zu vergessen, dass dieser Mann geisteskrank war, dass er drei Mädchen nur so aus
Spaß umgebracht und ein weiteres in seiner Gewalt hatte. Es war so leicht.
»Nein«, sagte Rebus, »ich war nicht sehr helle.«
Er merkte, wie er immer angespannter wurde. Die Luft um ihn herum schien dünner zu werden. Gleich
würde irgend etwas passieren. Er konnte es spüren. Und um es zu verhindern, hätte er Reeve nur
die Fäuste in die Nieren rammen, einen harten Schlag in den Nacken geben, ihm Handschellen
anlegen und ihn nach draußen schaffen müssen.
Und warum tat er das nicht einfach? Er wusste es selber nicht. Er wusste nur, dass was immer
passieren sollte, auch passieren würde, dass es festgelegt war wie der Plan für ein Haus oder wie
eines dieser Nullen-und-Kreuze-Spiele von vor vielen Jahren. Reeve hatte das Spiel begonnen.
Dadurch war Rebus in einer Position, in der er nicht gewinnen konnte. Trotzdem musste das Spiel
beendet werden. Dieses Wühlen in den Regalen musste sein, das Gesuchte musste gefunden
werden.
»Ah, da ist es ja. Es ist ein Buch, das ich gerade lese...«
John Rebus wunderte sich, warum es so gut versteckt war, wenn Reeve esdoch gerade las.
»Schuld und Sühne. Du hast mir die Geschichte erzählt, erinnerst du dich?«
»Und ob ich mich erinnere. Ich hab sie dir mehr als einmal erzählt.«
»Ja, John, das stimmt.«
Es handelte sich um eine teure, in Leder gebundene Ausgabe, die schon ziemlich alt war. Es sah
nicht wie ein Bibliotheksbuch aus. Reeve ging damit um, als ob er Gold oder Diamanten in Händen
hielte, als ob er in seinem ganzen Leben noch nie so etwas Kostbares besessen hätte. »Da ist eine
Illustration drin, die ich dir zeigen wollte. Erinnerst du dich, was ich über den guten alten
Raskolnikow gesagt habe?«
»Du hast gesagt, er hätte sie alle erschießen sollen...«
Rebus begriff die unterschwellige Bedeutung eine Sekunde zu spät. Er hatte diesen Hinweis genauso
missverstanden wie so viele andere von Reeves Hinweisen. Inzwischen hatte Gordon Reeve mit
leuchtenden Augen das Buch geöffnet und einen kleinen stumpfnasigen Revolver aus seinem
ausgehöhlten Inneren hervorgeholt. Während er die Waffe auf Rebus' Brust richtete, machte dieser
einen Satz nach vorn und knallte Reeve seinen Kopf gegen die Nase. Planung war eine Sache, aber
manchmal bedurfte es eben einer schmutzigen Eingebung. Mit einem lauten Krachen brach die Nase.
Blut und Schleim flossen heraus. Reeve stöhnte auf, Rebus schob mit einer Hand den bewaffneten
Arm von sich weg. Nun schrie Reeve, ein Schrei aus der Vergangenheit, aus so vielen erlebten
Alpträumen. Das brachte Rebus aus dem Gleichgewicht, versetzte ihn wieder zurück zur Szene seines
Verrats. Er sah die Wächter vor sich, die geöffnete Tür und wie er den Schreien des eingesperrten
Mannes den Rücken kehrte. Die Szene vor ihm verschwamm, stattdessen war eine Explosion zu
hören.
Aus dem leichten Schlag gegen seine Schulter wurde rasch ein sich immer weiter ausbreitendes
taubes Gefühl und dann ein starker Schmerz, der seinen ganzen Körper zu erfassen schien. Er griff
an seine Jacke, fühlte, wie das Blut durch das Polster sickerte, durch den dünnen Stoff. Mein
Gott, so war es also, angeschossen zu werden. Erst glaubte er, ihm würde schlecht oder er würde
umkippen, doch dann spürte er, wie eine Kraft von ihm Besitz

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