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Verbotene Früchte im Frühling

Titel: Verbotene Früchte im Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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es wahr, was Waring behauptet?“ Die vertraute leicht aufbrausende Art wurde diesmal gemäßigt von einem liebevollen Unterton.
    „Nicht ganz.“ Matthew gestattete sich, vorsichtig seinen Blick durch den Raum wandern zu lassen. Das, was er auf den anderen Gesichtern zu sehen erwartet hatte – Anklage, Furcht, Zorn –, war nicht da. Selbst Mercedes Bowman, die man nicht gerade als mitfühlende Frau bezeichnen würde, betrachtete ihn mit einem Blick, von dem er beinahe meinte, er sei freundlich.
    Plötzlich wurde ihm klar, dass er sich in einer anderen Position befand als noch vor Jahren, als er arm gewesen war und ohne Freunde. Nur die Wahrheit war seine Waffe gewesen, die sich als zu schwach erwiesen hatte. Jetzt besaß er selbst Geld und Einfluss, ganz zu schweigen von den mächtigen Verbündeten, die er gewonnen hatte. Und vor allem hatte er Daisy, die noch immer an seiner Schulter stand, und ihre Berührung verlieh ihm Kraft und Stärke.
    Matthew kniff die Augen zusammen, als er Wendell Warings anklagendem Blick begegnete. Ob er es wollte oder nicht, Waring würde sich die Wahrheit anhören müssen.

18. KAPITEL
    „Ich war Harry Warings Diener“, begann Matthew mit rauer Stimme. „Und ich war ein guter Diener, obwohl ich weiß, dass er in mir nicht einmal ein menschliches Wesen gesehen hat. Seiner Ansicht nach waren Dienstboten nicht besser als Hunde. Ich existierte nur zu seiner Bequemlichkeit. Meine Aufgabe war es, die Schuld für seine Missetaten auf mich zu nehmen, seine Strafen zu ertragen, zu reparieren, was er zerstört hatte, herbeizuschaffen, was er brauchte. Selbst in jungen Jahren war Harry ein überheblicher Bengel, der in seiner Überheblichkeit glaubte, er könne mit allem außer Mord durchkommen, nur wegen seines Namens und seiner Familie …“
    „Ich will nicht, dass ihm etwas Böses nachgesagt wird!“, brach es wütend aus Waring heraus.
    „Sie waren schon an der Reihe“, brüllte Thomas Bowman. „Jetzt will ich Swift anhören.“
    „Seine Name ist nicht …“
    „Lassen Sie ihn sprechen“, sagte Westcliff und setzte mit seiner kühlen Stimme dem aufkommenden Streit ein Ende.
    Matthew dankte dem Earl mit einem kurzen Nicken. Er wurde abgelenkt, als Daisy ihren Platz auf dem Stuhl neben ihm wieder einnahm. Sie rückte das Möbelstück näher, bis sein rechtes Bein halb unter ihren Röcken verschwand.
    „Ich ging mit Harry zusammen zur Boston Latin“, fuhr Matthew fort, „und dann nach Harvard. Ich schlief im Souterrain, in den Dienstbotenquartieren. Ich studierte die Aufzeichnungen seiner Freunde für die Stunden, die Harry versäumt hatte, und schrieb Aufsätze für ihn …“
    „Das ist eine Lüge!“, rief Waring. „Sie, der von alten Nonnen in einem Waisenhaus unterrichtet worden waren, Sie sind verrückt, wenn Sie denken, jemand würde Ihnen das glauben!“
    Matthew gestattete sich ein spöttisches Lächeln. „Ich habe von diesen alten Nonnen mehr gelernt als Harry von einer ganzen Reihe von Lehrern. Harry sagte, er brauche keine Bildung, da er Geld und einen guten Namen besitze.
    Aber ich hatte keines von beidem, und meine einzige Chance bestand darin, so viel wie möglich zu lernen in der Hoffnung, mich eines Tages bis ganz nach oben arbeiten zu können.“
    „Um wohin zu kommen?“, fragte Waring voll offensichtlicher Abscheu. „Sie waren ein Dienstbote – ein irischer Dienstbote – ohne jede Hoffnung darauf, jemals ein Gentleman werden zu können.“
    Ein neugieriges Lächeln erschien auf Daisys Gesicht. „Aber genau das ist ihm in New York gelungen, Mr. Waring.
    Matthew hat sich ganz allein seinen eigenen Platz in der Gesellschaft und im Geschäftsleben erobert – und vor allen Dingen ist er ein Gentleman geworden.“
    „Unter dem Deckmantel einer falschen Identität“, gab Waring zurück. „Er ist ein Betrüger, erkennen Sie das denn nicht?“
    „Nein“, erwiderte Daisy und sah Matthew an. Ihre Augen wirkten dunkel und glänzend. „Ich sehe einen Gentleman.“
    Am liebsten hätte Matthew ihr die Füße geküsst. Stattdessen zwang er sich, den Blick von ihr abzuwenden, und fuhr fort: „Ich tat, was ich konnte, damit Harry in Harvard bleiben durfte, während er darauf versessen zu sein schien, hinausgeworfen zu werden. Er trank und spielte und …“
    Matthew hielt inne, als er daran dachte, dass Damen anwesend waren. „… und tat noch andere Dinge“, fuhr er fort.
    „Es wurde immer schlimmer. Die monatlichen Ausgaben überstiegen

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