Verbotene Früchte im Frühling
berichtete. Sie saßen in dem privaten Salon im oberen Stockwerk des Herrenhauses, zusammen mit ihren beiden engsten Freundinnen, Annabelle Hunt und Evie, Lady St. Vincent. Sie alle hatten sich zwei Jahre zuvor kennengelernt, ein Quartett von Mauerblümchen, von denen alle aus unterschiedlichen Gründen noch keinen Ehemann vorzuweisen hatten.
In der viktorianischen Gesellschaft war es allgemein bekannt, dass Frauen, mit ihrer verspielten Natur und von geringerem Verstand, keine so innigen Freundschaften pflegen konnten wie Männer. Nur Männer konnten sich loyal zueinander verhalten, und nur Männer vermochten, wirklich ehrliche und edle Beziehungen zu pflegen.
Daisy hielt das für Unsinn. Sie und die anderen Mauerblümchen – nun, früheren Mauerblümchen – verband tiefe Zuneigung und Vertrauen. Sie halfen einander, ermutigten einander ohne einen Anflug von Eifersucht oder Wettstreit. Daisy liebte Annabelle und Evie beinahe so sehr, wie sie Lillian liebte. Mühelos konnte sie sich vorstellen, wie sie später einmal bei Tee und Keksen zusammensitzen, über ihre Enkel plaudern würden und zusammen Reisen unternahmen, eine Gruppe silberhaariger, scharfzüngiger alter Damen.
„Ich glaube keinen Moment lang, dass Mr. Swift nichts davon weiß“, fuhr Lillian fort. „Er ist ein Lügner und steckt mit Vater unter einer Decke. Natürlich will er die Firma erben.“
Lillian und Evie saßen in Brokatsesseln am Fenster, während Daisy und Annabelle zwischen den farbenfrohen Stoffmassen ihrer weiten Röcke auf dem Boden hockten. Ein kleines, pummeliges Mädchen mit dunklen Löckchen krabbelte zwischen ihnen hin und her und hielt nur dann und wann inne, um sich hochkonzentriert der Aufgabe zu widmen, mit ihren winzigen Fingern irgendetwas vom Teppich aufzuheben.
Das Baby Isabelle war Annabelle und Simon Hunt vor zehn Monaten geboren worden. Gewiss hatte es noch kein Kind gegeben, dem vom ganzen Haushalt mehr Liebe entgegengebracht wurde – den Vater eingeschlossen.
Entgegen allen Erwartungen war der sehr männlich wirkende Mr. Hunt ganz und gar nicht enttäuscht gewesen, dass sein Erstgeborenes ein Mädchen war. Er liebte das Kind von Herzen, schämte sich nicht, sie in der Öffentlichkeit auf den Arm zu nehmen, und liebkoste sie, wie es Väter nur selten taten. Hunt hatte Annabelle sogar gebeten, ihm bitte in Zukunft noch mehr Töchter zu schenken, und kühn behauptet, es sei schon immer sein Traum gewesen, von möglichst vielen Frauen geliebt zu werden.
Dass das Kind besonders schön sein würde, war vorauszusehen gewesen – für Annabelle wäre es rein körperlich eine Unmöglichkeit, einen nicht mindestens spektakulären Nachwuchs zur Welt zu bringen.
Daisy nahm Isabelle hoch und küsste ihren seidenweichen Nacken, ehe sie das Kind wieder auf den Teppich setzte.
„Du hättest ihn hören sollen“, fuhr Daisy fort. „Diese Überheblichkeit war unglaublich. Swift hat erklärt, es sei mein eigener Fehler, dass ich noch immer unverheiratet bin. Er sagte, meine Ansprüche seien zu hoch. Und er kritisierte die Kosten meiner Bücher und meinte, jemand müsste für meinen teuren Lebensstil aufkommen.“
„Das hat er nicht gewagt!“, rief Lillian ungläubig aus, das Gesicht rot vor Zorn.
Sofort bedauerte Daisy, ihr davon erzählt zu haben. Der Arzt der Familie hatte geraten, sie im letzten Monat ihrer Schwangerschaft nicht aufzuregen. Im vorigen Jahr war sie schon einmal schwanger gewesen, hatte jedoch schon in einem sehr frühen Stadium eine Fehlgeburt erlitten. Der Verlust hatte sie schwer getroffen und auch überrascht, besaß sie doch eine kräftige Konstitution.
Trotz der beruhigenden Versicherungen des Arztes, dass sie an der Fehlgeburt keine Schuld trug, war Lillian noch wochenlang melancholisch gewesen. Doch mit Westcliffs tröstlicher Gegenwart und der liebevollen Unterstützung durch ihre Freundinnen war sie nach und nach wieder zu ihrer gewohnt fröhlichen Natur zurückgekehrt.
Nun, da sie wieder in Erwartung war, nahm sie die Schwangerschaft weit weniger auf die leichte Schulter und sorgte sich wegen einer möglichen erneuten Fehlgeburt. Unglücklicherweise gehörte sie nicht zu jenen Frauen, die während einer Schwangerschaft regelrecht aufblühten. Sie war bleich, ihr war übel, häufig war sie schlecht gelaunt und haderte mit den Einschränkungen, die ihr Zustand ihr auferlegte.
„Das erlaube ich nicht“, erklärte sie jetzt. „Du wirst Matthew Swift nicht heiraten, und wenn Vater
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