Verbotene Früchte im Frühling
Tische waren mit Kristall und Sevres-Porzellan gedeckt worden, das jetzt im Licht von Leuchtern und Kandelabern schimmerte. Eine ganze Armee von Dienern in blau-gold-schwarzen Livreen eilte zwischen den Gästen umher, füllte Wasser- und Weingläser nach und servierte jeden Gang mit stummer Präzision.
Alles war einfach vollendet. Unglücklicherweise hatte Daisy bisher noch nie weniger Interesse am Essen aufgebracht. Es war eine Schande, dass sie es nicht fertigbrachte, den Speisen gerecht zu werden, denn es gab schottischen Lachs, dampfenden Rostbraten, Hirschkeule, Würstchen und Brot sowie kunstvoll angerichtete Gemüseeintöpfe mit Sahne, Butter und Trüffeln. Zum Dessert reichte man erlesene Früchte, Himbeeren, Nektarinen, Kirschen, Pfirsich und Ananas sowie Kuchen und Torten.
Daisy zwang sich, so natürlich zu essen, zu lachen und zu plaudern wie möglich. Aber es fiel ihr nicht leicht.
Matthew saß ein Stück weit weg auf der anderen Seite des Tisches, und wann immer sich ihre Blicke begegneten, verschluckte sie sich beinahe an dem, was sie gerade gekaut hatte.
Um sie herum wurde gesprochen, und wenn nötig, antwortete sie, während ihre Gedanken um das kreisten, was wenige Stunden zuvor geschehen war. Diejenigen, die sie gut kannten, wie ihre Schwester und ihre Freundinnen, bemerkten eine Veränderung. Selbst Westcliff hatte ihr ein paar prüfende Blicke zugeworfen.
Daisy war es zu heiß in dem hell erleuchteten, überfüllten Raum, und ihr Gesicht war gerötet. Auf alles schien ihr Körper überempfindlich zu reagieren. Die Unterkleidung war ihr lästig, das Korsett unerträglich, die Strumpfbänder zwickten ihr in die Schenkel. Bei jeder Bewegung wurde sie an den Nachmittag mit Matthew erinnert, spürte sie die wunde Stelle zwischen den Schenkeln, fühlte sie hier etwas brennen und da etwas zwicken. Und doch schien ihr Körper nach mehr zu verlangen – mehr von Matthews Berührungen, seinen rastlosen Lippen, seinem harten Leib in ihr …
Sie spürte, wie ihr Gesicht noch mehr errötete, und beschäftigte sich damit, ein Brot mit Butter zu bestreichen.
Dann warf sie einen Blick auf Matthew, der mit einer Lady zu seiner Linken sprach.
Als er Daisys Blick spürte, sah er in ihre Richtung. Seine blauen Augen schienen zu glühen, und er holte so tief Luft, dass seine Brust sich sichtbar hob. Dann zwang er sich, seine Aufmerksamkeit wieder seiner Platznachbarin zu widmen, konzentrierte sich auf sie mit einem schmeichelnden Interesse, das die Lady zum Kichern brachte.
Daisy führte ein Glas mit verdünntem Wein an ihre Lippen und zwang sich, dem Gespräch zu ihrer Rechten zu lauschen – es ging um eine Reise durch den Lake District und das schottische Hochland. Doch bald wanderten ihre Gedanken wieder zurück zu ihrer eigenen Situation.
Sie bedauerte ihre Entscheidung nicht – aber sie war nicht so naiv zu glauben, dass von nun an alles ganz einfach sein würde. Ganz im Gegenteil.
Da war die Frage, wo sie leben würden und wann Matthew sie mit zurück nach New York nehmen würde. Ob sie lernen könnte, dort glücklich zu sein, weit weg von ihrer Schwester und ihren Freundinnen. Dann blieb da noch die unbeantwortete Frage, ob sie die passende Gemahlin für einen Mann sein konnte, der so ganz einer Welt verhaftet war, der sie sich niemals zugehörig gefühlt hatte. Und schließlich die nicht unwichtige Frage, welche Art von Geheimnissen Matthew wohl barg.
Aber Daisy erinnerte sich an den sanften und doch bebenden Ton seiner Stimme, als er gesagt hatte: „Du hast schon immer alles verkörpert, was eine Frau meiner Meinung nach haben sollte.“
Matthew war der einzige Mann, der sie so hatte haben wollen, wie sie war. Llandrindon konnte man hierbei nicht mitzählen, da seine Begeisterung vermutlich so schnell wieder erlöschen würde, wie sie entflammt war.
In dieser Hinsicht, überlegte Daisy, wäre ihre Ehe der von Lillian und Westcliff nicht unähnlich. Als zwei starke Persönlichkeiten mit ganz unterschiedlichen Empfindlichkeiten stritten und verhandelten Lillian und Westcliff häufig – und doch schien das ihrer Ehe nicht zu schaden. Tatsächlich schien das Gegenteil der Fall zu sein, ihre Verbindung wirkte nur noch stabiler.
Sie dachte an die Ehen ihrer Freundinnen – Annabelle und Mr. Hunt, die einander recht ähnlich waren; Evie und St. Vincent mit ihren so vollkommen gegensätzlichen Temperamenten, die einander doch ergänzten wie der Tag die Nacht. Unmöglich zu sagen, dass eine
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