Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte
um. Hope stand im Türrahmen, das Bild der modischen Dame der Gesellschaft. Hinter ihr hob Glorys Sekretärin entschuldigend beide Hände. Wie oft Glory auch darum bat, ihre Mutter weigerte sich, anzuklopfen oder sich ankündigen zu lassen.
„Hallo, Mutter. Komm herein.“
„Ich wiederhole.“ Hope kam über den taubenblauen Teppich auf sie zu. „Warum wurde ich nicht gerufen?“
„Du beziehst dich auf …?“
„Diesen unglückseligen Polizeieinsatz natürlich.“ Hope setzte sich. „Wie widerwärtig, so ein Mädchen hier abzulegen. Also wirklich!“
Die Vorurteile ihrer Mutter gingen Glory gehörig gegen die Natur. Sie lehnte sich im Sessel zurück, in dem sie sich auf eigenartig kindliche Weise geborgen fühlte. „Dieses arme Geschöpf war Gottes Kind wie du und ich. Sie und ihre Familie tun mir Leid.“
Ihre Mutter schwieg einen Moment und winkte dann mit der Rechten ab. „Natürlich. Das arme Ding verdiente es sicher nicht, zu sterben. Aber sie hier abzulegen. Schrecklich, einfach schrecklich.“
Glory gab auf. Es hatte sowieso keinen Sinn, mit ihrer Mutter zu diskutieren. Stattdessen erklärte sie ruhig: „Ich sah keinen Grund, dich zu rufen. Du hättest nichts tun können, und es war mitten in der Nacht.“
Ihre Mutter beugte sich vor und sah sie durchdringend an. „Nicht nur, dass mir das Hotel zur Hälfte gehört. Muss ich dich erinnern, dass es das Geld meiner Familie war, mein Erbe, das Philip seinerzeit vor dem Ruin bewahrte? Wir hätten das St. Charles damals verlieren können, aber wir haben es gehalten.“ Sie presste eine Faust auf die Brust. „Durch mich. Ich wiederhole, man hätte mich rufen sollen.“
Als Glory vor fünf Jahren die Geschäftsführung übernommen hatte, war ihr eine Diskrepanz in den Büchern aufgefallen: Darlehen waren zurückgezahlt worden, Schulden verschwanden wie durch Magie. Darauf angesprochen, hatte ihre Mutter ihr die Geschichte von damals erzählt. Doch seither spielte sie sich bei jeder Meinungsverschiedenheit über das Hotel als Retterin des St. Charles auf. Glory hatte es satt.
Zornig legte sie die Handflächen auf die Schreibtischplatte und stand auf. „Ich führe das Hotel, Mutter. Wenn du das lieber übernehmen möchtest, können wir darüber reden. Bis dahin stehe ich zu meiner Entscheidung. Es gab keinen Grund, dich zu informieren. Alles Notwendige wurde veranlasst.“
Die Sekretärin meldete sich übers Telefon. Ein Reporter der Times Picayune rief wegen eines Zitats an. Glory entschuldigte sich bei ihrer Mutter und nahm den Anruf entgegen. Sie sah, wie ihre Mutter zum Schreibtisch kam und ein kleines gerahmtes Foto von Philip aufnahm, das kurz vor seinem Tode entstanden war. Als Hope liebevoll über das Glas strich, spürte Glory einen Kloß im Hals.
Nach Philips Tod hatten sich viele Männer um Hope bemüht, doch sie hatte alle abgewiesen. Zu Glory hatte sie gesagt, dass niemand den Platz ihres geliebten Philip einnehmen könne. Lange hatte Glory sich gewünscht, dass ihre Mutter eine neue Bindung einginge, denn deren Einsamkeit verstärkte nur ihre Schuldgefühle. Letztlich hatte sie die Entscheidung ihrer Mutter jedoch akzeptiert, und ihre Schuldgefühle blieben eine dauernde Last.
Glory schluckte trocken und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Reporter. „Ja, das ist richtig. Zu dieser Sache dürfen Sie mich zitieren. Wenn Sie zusätzliche Informationen brauchen, zögern Sie nicht, mich anzurufen.“
Als sie den Hörer ablegte, stellte ihre Mutter das Foto zurück. „Ich vermute, du hast … ihn gestern Nacht gesehen.“
Glorys Puls beschleunigte sich. „Wenn du Santos meinst, ja, den habe ich gesehen. Er bearbeitet diesen Fall.“
„Das habe ich gehört.“ Hope lächelte dünn. „Dann ist er ja wohl … Polizist geworden.“
Sie betonte das, als sei Polizist werden gleichbedeutend mit dem Sturz in eine Jauchegrube. Glory spürte ihre Wangen brennen und begann Santos zu verteidigen. „Wie ich hörte, ist er sogar ein sehr guter Detective geworden. Einer der besten, um genau zu sein. Ich bin froh, dass er auf unserer Seite ist.“ Sie sah betont auf ihre Uhr. „Wenn sonst nichts anliegt, Mutter. Ich muss mich um einige Dinge kümmern.“
„Natürlich. Du bist sehr beschäftigt.“ Hope ging zur Tür, blieb aber noch einmal stehen. „Da wäre noch etwas. Ich gebe Samstagabend eine kleine Dinnerparty. Warum bringst du nicht diesen netten plastischen Chirurgen mit, mit dem du dich triffst. Wie heißt er
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