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Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte

Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte

Titel: Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Spindler
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Medien im Süden gesprochen. Jedenfalls kam es ihr so vor. Außerdem hatte sie zwei aufgeregte Planer von Firmenseminaren überredet, ihre Herbsttreffen nicht vom St. Charles abzuziehen oder es sich doch zumindest noch einmal zu überlegen. Leider war sie gezwungen gewesen, sie mit zusätzlichen Rabatten auf die Zimmer und das Essen zu locken, was sich das Hotel eigentlich nicht leisten konnte.
    Erschöpft seufzend, hoffte sie, dass das Schlimmste nun vorüber sei. Doch sie machte sich keine Illusionen. Was sie und die PR-Abteilung geschafft hatten, war nicht mehr, als eine Blutung durch Abbinden zu stillen.
    Das St. Charles hatte Probleme.
    Sie sank in den alten Schreibtischsessel ihres Vaters zurück, legte den Kopf auf die Lehne und schloss die Augen. Sie würde bald ein paar harte Entscheidungen treffen müssen, vor denen ihr graute, die ihr Vater nicht gebilligt hätte und gegen die ihre Mutter sich mit Händen und Füßen wehren würde.
    Aber etwas musste geschehen. Wenn sich Belegungsrate und Gewinne nicht besserten, mussten Service und Personal gekappt werden. Das führte dann zu weiterer Verminderung der Übernachtungszahlen. Dann konnten die Einrichtungen bald nicht mehr ordentlich gewartet werden, und das Hotel verfiel. Ein Teufelskreis.
    Das durfte sie nicht zulassen.
    Glory seufzte frustriert und stand auf. Sie ging zum Panoramafenster und blickte auf die St.-Charles-Avenue hinab. Die Einsatzwagen waren fort, ebenso die Vans der Nachrichtensender. Alles lief wieder normal: für sie, das Hotel, für New Orleans.
    Sie berührte das kalte Glas. Nein, heute war nichts normal. Dieser Tag war anders, sie fühlte sich anders.
    Santos.
    Ihn wieder zu sehen hatte sie umgeworfen wie schon lange nichts mehr. Immerhin waren über zehn Jahre vergangen, und sie war eine erwachsene Geschäftsfrau, verantwortlich für ein 125-Betten-Hotel. Seine offenkundige Verachtung für sie hatte jedoch den Schutzwall eingerissen, den sie um sich errichtet hatte. Sie war verletzt.
    Wirklich, Glory, du bist zu der Frau geworden, die deine Mutter sich gewünscht hat.
    Sie blickte auf ihre zitternden Hände und ballte sie unwirsch zu Fäusten. War sie wirklich die Frau nach den Wünschen ihrer Mutter geworden? Ja und nein.
    Sie straffte sich unmerklich. Was fiel Santos ein, sie so zornig anzufahren? Was stimmte nicht mit der Frau, die sie geworden war. Sie galt als führende Persönlichkeit in der Stadt, als angesehene Geschäftsfrau. Allerdings ließ sie sich nicht mehr wie früher von ihren Gefühlen leiten, sondern hielt sie im Zaum. Wenn sie mit einem Mann ausging, dann mit dem richtigen. Keine wilden Jungs mehr, keine Abenteuer. Kein sinnloses, zerstörerisches Aufbegehren.
    Niemand hatte das Recht, ihre Einstellung zu kritisieren. Immerhin war sie verantwortungsbewusst und erwachsen. Konnte er dasselbe von sich behaupten? Er rannte mit einer Waffe durch die Straßen und spielte Räuber und Gendarm oder den Macho-Superbullen. Sie hatte gehört, dass er ein Hitzkopf war, dessen Eskapaden ihn häufiger mit seinen Vorgesetzten in Konflikt brachten.
    Er ist seinen Träumen und sich selbst treu geblieben. Kann ich dasselbe von mir behaupten?
    Der Gedanke war ihr unangenehm, und sie verdrängte ihn. Selbst wenn Santos einer der höchstdekorierten Polizisten der Stadt war, war sie ohne ihn sicher besser dran.
    Glory kehrte an ihren Schreibtisch zurück. Warum hatte sie Santos nie vergessen? Warum hatte sie nie vergessen, wie sie sich in seinen Armen gefühlt hatte: sicher, geborgen, vollkommen glücklich. Warum hatte sie nie wieder so empfunden?
    Als Erwachsene sah sie ein, dass ihre damaligen Gefühle wohl nur kindische Illusionen gewesen waren. Nur weil man das Gefühl hatte, etwas sei richtig, musste es noch nicht richtig sein. Diese Lektion hatte sie immerhin gelernt und einen schrecklichen Preis bezahlt, was sie nie vergessen und sich nie verzeihen würde.
    Sie vermisste ihren Vater immer noch sehr. Er hatte eine Lücke hinterlassen, die nicht zu füllen war. Körperlich und seelisch erschöpft, fuhr sie sich mit einer Hand übers Gesicht und blickte in den hellen Maitag hinaus. Nach etwas Schlaf und einer guten Mahlzeit würde sie sich wieder besser fühlen. Sie hatte zwar etwa sechs Tassen Kaffee getrunken, aber nichts gegessen. Kein Wunder, dass sie so melancholisch und gereizt war.
    „Glory Alexandra, warum wurde ich nicht gerufen?“
    Die Stimme ihrer Mutter riss sie unangenehm aus ihren Gedanken. Erschrocken drehte sie sich

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