Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte
auch, dachte sie wütend, er soll sich wie ein Stück Dreck vorkommen.
Sie beobachtete ihn verstohlen aus den Augenwinkeln, sah ihn das Gesicht verziehen und zur Tür deuten. Jackson schüttelte den Kopf und wies auf den Stuhl ihm gegenüber. Santos setzte sich und wirkte wie ein zum Tode Verurteilter.
Es tat ihr weh, ihn anzusehen. Es tat unendlich weh, jemand so sehr zu lieben und genau zu wissen, dass man ihn nie haben konnte. Warum hatte es zwischen ihnen nicht geklappt? Warum hatte er sie nicht lieben können? Seine Liebe hätte die Zerstörung ihrer Jugendträume und die Enttäuschung über Glory hundertfach wettgemacht.
Minutenlang hantierte sie ziellos mit den Zeitkarten und merkte, dass sie sie neu sortieren musste, da sie unfähig war, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Wieder blickte sie verstohlen zu Santos hinüber.
Er sah schlecht aus, müde und eingefallen. Irgendetwas verlieh ihm den Ausdruck eines verlorenen kleinen Jungen. So musste er vor vielen Jahren nach dem Mord an seiner Mutter ausgesehen haben, als er niemand mehr hatte.
Nach dem Verlust von Lily kam jetzt vielleicht noch Jobverlust hinzu.
Liz schluckte trocken. In gewisser Weise war er wieder dieser einsame kleine Junge, der sich auf nichts und niemand verlassen konnte.
Santos liebte seinen Beruf. Er war gerne Polizist und ein sehr guter noch dazu. Einer der Besten. Sie durfte ihn nicht hängen lassen, gleichgültig, was er ihr angetan hatte. Es wäre falsch und verabscheuungswürdig. Und auf lange Sicht gesehen würde sie mehr darunter leiden als er.
Sie stand auf und strich sich nervös den Rock glatt. Dass sie Hope St. Germaine und Chop Robichaux hatte miteinander reden sehen, war vielleicht ein Zufall und hatte nichts mit Santos zu tun. Das war sogar wahrscheinlich. Aber wenigstens musste sie ihr Gewissen erleichtern.
Tief durchatmend ging sie an den Tisch. Beide Männer sahen sie an. Sie faltete die Hände vor sich, damit man nicht sah, dass sie zitterten. „Hallo, Santos.“
„Hallo, Liz“, grüßte er gequält. Er bedauerte aufrichtig, dass er ihr hatte weh tun müssen, es war keine Absicht gewesen. „Wenn du möchtest, dass ich gehe, tue ich das“, sagte er leise.
„Nein, ich …“ Sie atmete noch einmal tief durch. „Ich muss dir etwas sagen.“ Sie blickte zu Jackson. „Auch Ihnen. Darf ich mich setzen?“
Beide nickten. Sie nahm Platz und begann ohne Einleitung mit ihrer Geschichte. Ein paar Minuten später lehnte Jackson sich in seinem Stuhl zurück und stieß einen leisen Pfiff aus. „Heiliger Bimbam.“
Santos schüttelte fassungslos den Kopf. „Ich habe mir immer wieder gesagt, sie kann nichts damit zu tun haben, obwohl ich es instinktiv wusste. Ich musste immer wieder an ihre bösartige Drohung bei meinem letzten Besuch denken. Aber ich dachte, ich wäre übergeschnappt, und das könnte einfach nicht sein. Ausgerechnet Chop Robichaux“, fuhr er fort. „Tiefer als der kann man doch wohl nicht sinken. Also, wie kommt sie ausgerechnet auf den?“ Er beugte sich aufgeregt vor. „Man schlägt nicht die Gelben Seiten auf und findet unter O einen Oberkriminellen.“
„Und Robichaux riskiert nicht für jeden etwas.“
„Für die richtige Summe schon. Ich kenne diesen Scheißkerl, für Geld tut der alles.“
„Aber was kostet es, dass er so etwas tut?“ Jackson legte die Fingerspitzen gegeneinander. „Was meinst du? Wie machen wir jetzt weiter?“
„Wir holen uns Beweise. Wir stellen eine Verbindung her zwischen den beiden und finden heraus, was in dem Umschlag war.“
Liz beobachtete sie, hörte zu und kam sich vor wie das dritte Rad am Wagen. Wie eine Außenseiterin, das Kind, das nicht mitspielen darf. Ich gehöre nicht mehr zum Team, werde weder gebraucht, noch bin ich erwünscht.
Sie räusperte sich und stand auf. „Ich lasse euch allein, damit ihr reden könnt. Ich wollte nur …“ Sie brach ab und hoffte, sich nicht zu blamieren, indem sie losheulte.
Santos stand ebenfalls auf. „Liz, ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn …“
„Vergiss es.“ Sie strich sich wieder den Rock glatt. „Wirklich.“
„Ich will es aber nicht vergessen, Liz. Ich schulde dir etwas dafür. Eine Menge sogar.“
„Nein, Santos, das tust du nicht. Ich habe das nicht getan, weil ich dir … vergebe. Ich habe es nicht getan, um dir zu helfen, oder weil ich dich immer noch … liebe.“ Ihre Stimme brach, und sie verstummte einen Moment. „Ich habe
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