Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte
Ist Ihnen das egal, bedeutet Ihnen das gar nichts?“
„Doch, das tut es, und ich verabscheue den Gedanken und Patterson auch. Aber alles, was wir tun können, ist, den wenigen Spuren zu folgen und abzuwarten.“
„Abwarten?“ fragte Santos argwöhnisch. „Was meinen Sie?“
„Er wird es wieder tun“, tat Patterson die Sache ab und kehrte zu seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch zurück. „Er wird es wieder tun und macht dann vielleicht einen Fehler, und dann kriegen wir ihn.“
Angewidert starrte Santos den Detective hasserfüllt an. „Warum sollten Sie Ihren Hintern in Bewegung setzen, der Typ killt ja bloß Nutten. Richtig?“ Er ballte die Hände. „Sie denken, sie war ein Nichts. Sie denken, sie war nur eine nichtsnutzige Nutte, also ist ihre Ermordung unwichtig. Aber mir ist es wichtig!“ Santos machte einen Schritt auf Pattersons Schreibtisch zu. „Sie war meine Mutter, Sie Bastard! Mir ist das wichtig. Und ich scheiße auf Sie.“
„Victor …“ Jacobs packte ihn am Arm. „Komm, ich spendiere dir eine Cola.“
Santos schüttelte die Hand ab und sah Patterson durchdringend an. „Ich kriege raus, wer das getan hat. Kapiert? Ich werde den Täter finden, und er wird bezahlen!“
Der Detective schnaubte verärgert: „Was kannst du schon tun, Victor? Du bist ein Kind.“ Er schüttelte den Kopf. „Du wirst dich nur selbst in Gefahr bringen. Überlass die Polizeiarbeit uns.“
Die Bemerkung und der Tonfall reizten Santos bis aufs Blut. „Das würde ich ja gern, wenn Sie etwas täten.“
Der Detective presste die Kiefer aufeinander. Seine Miene verriet keinerlei Verständnis mehr. „Mir reicht’s jetzt mit dir. Wir tun, was wir können, und jetzt hau ab. Ich muss arbeiten.“
„Kein Problem, Detective.“ Santos trat noch einen Schritt näher an den Schreibtisch. Er fühlte sich dem Mann ebenbürtig und war weder von dessen Statur noch von seiner Position eingeschüchtert. Plötzlich verstand er, was es hieß, ein Mann zu sein und kein Junge mehr. „Denken Sie dran: Ich weiß nicht, wie und wann, aber ich werde den Bastard finden, der meine Mutter umgebracht hat, und er wird dafür bezahlen.“ Er stemmte die Hände auf den Schreibtisch und starrte Patterson an. „Und das ist ein Versprechen, Detective!“
TEIL 3
Glory
8. KAPITEL
New Orleans, Louisiana, 1974
Für die siebenjährige Glory Alexandra St. Germaine war die Welt ein wunderbarer und beängstigender Ort zugleich. Ein Ort, wo es alles gab, was sich ein Mädchen wünschen konnte: schöne Kleider mit Spitzen, Bändern und Schleifen, schöne Puppen mit seidigem Haar, das sie bürsten konnte, Reitstunden und ihr eigenes Pony, echtes Porzellan für die Teepartys, die sie im Gartenpavillon gab, und vieles mehr, auf das sie nur deuten musste, um es zu bekommen.
Ihr Daddy gehörte zu dieser Welt, der zauberhaftesten und wunderbarsten überhaupt. Wenn sie mit ihm zusammen war, konnte ihr nichts Hässliches und kein Unglück widerfahren – als wäre sie etwas ganz Besonderes. Er nannte sie sein kostbares Püppchen, und obwohl sie den Namen für zu babyhaft hielt, da sie schon fast in die dritte Klasse ging, gefiel es ihr insgeheim ganz gut, wenn er sie vor Dritten so nannte.
Von ihrer Mutter wurde sie nur bei ihrem Taufnamen gerufen.
Glory rutschte unbehaglich auf dem harten Holzstuhl herum. Ihr Po war ganz taub vom langen Sitzen in der Ecke. Ihrer Ecke. Der Ecke für böse Mädchen.
Seufzend stieß Glory die Schuhspitze auf den glänzenden Boden und achtete darauf, keinen Kratzer zu machen. Ihre Mutter würde den Bereich inspizieren, wenn sie sie von ihrer Strafe befreite, um sicherzugehen, dass sie zwischenzeitlich keinen Unfug angestellt hatte. Schließlich sollte sie ihre Zeit in der Ecke für Gebete und zum Nachdenken nutzen. Ihre Mutter hatte ihr das mindestens eine Million Mal gesagt.
„Glory Alexandra St. Germaine“, sagte sie dann, „setz dich in die Ecke und denk über dein Verhalten nach. Bleib da sitzen und denk darüber nach, was der Herr von seinem guten kleinen Mädchen erwartet.“
Glory seufzte wieder. Andere Mütter nannten ihre Töchter Herzchen, Liebling oder Schätzchen. Sie hatte das gehört. Stirnrunzelnd versuchte sie sich zu erinnern, ob ihre Mutter sie auch nur ein einziges Mal mit einem Kosenamen angesprochen hatte. Nein, ihr fiel wie immer keinmal ein.
Weil meine Mutter mich nicht liebt.
Glory zog die Knie an und legte den Kopf darauf. Sie presste die Augen zu und versuchte, ihre Gedanken
Weitere Kostenlose Bücher