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Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte

Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte

Titel: Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica Spindler
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zu verscheuchen. Aber das ging nicht. Und ihre Überlegungen verwirrten sie, machten sie traurig und ängstlich.
    Sie hatte sich immer wieder einzureden versucht, dass ihre Mutter sie liebte. Hope St. Germaine war eben eine andere Art von Mutter, eine, die nicht umarmte und nicht umarmt werden wollte, die Disziplin für wichtiger hielt als Zuneigung.
    Doch Glory glaubte ihren eigenen Versicherungen nicht. Tief im Herzen kannte sie die Wahrheit, so schmerzlich sie auch war.
    Tränen brannten ihr in den Augen, und sie blinzelte sie fort. Warum liebte ihre Mutter sie nicht? Was hatte sie getan, das ihr nicht gefiel? Sie versuchte, ein braves Mädchen zu sein, sie wollte genau so sein, wie ihre Mutter sie haben wollte. Aber irgendwie gelang es ihr nie, sosehr sie sich auch bemühte. Sie lachte entweder zu laut oder zu oft, rannte, wenn ihre Mutter wollte, dass sie ging, sang, wenn ihre Mutter wollte, dass sie betete. Selbst wenn sie anderen Menschen Freude bereitete, enttäuschte sie ihre Mutter damit.
    Mutter glaubte, dass es böse war, sich um die Zuneigung anderer zu bemühen, aber das versuchte sie ja gar nicht. Bei anderen erreichte sie alles mit nur einem Lächeln. Sie gewann die Zuneigung ihrer Mitmenschen, ohne es darauf anzulegen.
    Glory sehnte sich danach, vom Stuhl aufzustehen, zu laufen und zu spielen. Sie lachte gern. Sie sang, tanzte und hüpfte gern, dass ihr Haar nur so flog. Mama sagte, sich so zu produzieren sei auch böse. Sie sagte, der Wunsch, im Mittelpunkt zu stehen, sei nicht das, was der Herr von seinen Kindern erwarte.
    Glory bemühte sich, das zu beherzigen, doch manchmal vergaß sie es einfach. Sie ballte die kleinen Hände. Warum vergaß sie immer wieder, wie ihre Mama sie haben wollte?
    Eine Träne rollte ihr über die Wange, und sie wischte sie fort. Wenigstens würde ihre Mutter bald kommen und sie holen. Sie sah an den länger werdenden Schatten, dass es Zeit für das Dinner war, und die Bestrafungen ihrer Mutter endeten immer rechtzeitig, damit Glory am Dinner teilnehmen konnte.
    Bei dem Gedanken an Essen knurrte ihr der Magen. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen, wenn sie an die getoasteten Käsesandwiches dachte, die die Köchin zum Lunch vorbereitet hatte. Auf die Sandwiches hatte sie verzichten müssen wegen ihres bösen Benehmens.
    „Mama!“ rief Glory. „Bitte darf ich rauskommen? Ich werde brav sein, ich versprech’s.“
    Stille antwortete ihr. Sie biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte jetzt solchen Hunger, dass ihr der Bauch wehtat. Sie sehnte sich danach, am Daumen zu lutschen, doch ihre Mutter hatte sie einmal dabei erwischt und sie wieder bestraft.
    Glory schlang die Arme um sich und kämpfte ihren Drang nieder. Es war unsauber, erinnerte sie sich. An Fleisch zu saugen war böse und unsauber.
    Sie hörte den Schlüssel im Schloss und drehte sich erwartungsvoll um. „Mama?“
    „Nein, Schätzchen. Ich bin’s, Daddy.“
    „Daddy!“ Sie flog ihm geradezu entgegen. Bei ihrem Daddy brauchte sie nicht um Erlaubnis betteln, die Ecke zu verlassen. Bei Daddy brauchte sie sich nicht zu entschuldigen oder erklären, was sie während ihrer Strafe gelernt hatte. Daddy liebte sie immer, egal, was geschah.
    Er schwang sie in seine Arme und hielt sie fest. Und sie umarmte ihn heftig. Ihr war, als hätte der Tag gerade sonnig und viel versprechend begonnen.
    Als er sie absetzte, erkannte sie an seiner Miene, dass sie heute Abend wieder die erhobenen Stimmen ihrer Eltern hören würde. Ihr Vater würde ihre Mutter zu streng nennen, und sie würde ihn zu nachgiebig schimpfen. Ihre Mutter würde sagen, wenn es nach ihm ginge, würde Glory sündhaft und liederlich aufwachsen.
    Die Streitereien ihrer Eltern endeten immer auf dieselbe Weise – in absolutem Schweigen. Einmal war Glory in den Flur geschlichen und hatte an ihrer Schlafzimmertür gelauscht. Sie hatte ihren Vater stöhnen gehört, als litte er große Schmerzen. Sie hatte das atemlose Lachen ihrer Mutter gehört, es hatte triumphierend und machtvoll geklungen.
    Im Schlafzimmer war etwas Schweres umgefallen und krachend auf dem Boden gelandet. Ängstlich war Glory in ihr Zimmer gelaufen, ins Bett gesprungen und hatte sich das Laken über den Kopf gezogen.
    Heftig atmend hatte sie mit wild pochendem Herzen darauf gewartet, dass ihre Mutter kam und sie bestrafte und ihr am Morgen die Mitteilung machte, Dad sei verletzt oder tot. Was sollte sie machen, wenn sie Daddy verlor? Wie sollte sie ohne ihn leben?
    Sie konnte es nicht,

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