Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte
die Hände ans Gesicht. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren und schwach werden, sondern einen Ausweg finden. Sie hatte zu hart und zu lange gearbeitet, um sich jetzt alles entreißen zu lassen.
Ein Hinweis auf ihre finanziellen Schwierigkeiten und wie tief Philip sie hineingeritten hatte, genügte, und sie standen plötzlich außerhalb von New Orleans’ einflussreichstem Kreis.
Sie hörte schon die Spekulationen und den getuschelten Spott. Die Einladungen zu den großen gesellschaftlichen Ereignissen blieben aus. Posten in verschiedenen Gremien wurden von anderen besetzt, deren Kassen sich nicht durch Unfähigkeit geleert hatten. Türen würden sich schließen. Man würde ihnen den Rücken zukehren.
Sie würde nur noch Zuschauerin sein, eine Ausgestoßene wie in ihrer Jugend. Ein leiser Schrei kam über ihre Lippen. Ich war einmal eine Außenseiterin, das passiert mir nie wieder, egal, was ich dafür tun muss.
Hinter den Glastüren heulte der Wind. Hope ging hinüber, öffnete sie und trat in der dunklen Oktobernacht auf den Balkon hinaus.
Zuerst bemerkte sie die Kälte, dann den Wind. Sie hob das Gesicht empor. Ein Sturm braute sich zusammen. Die Wipfel der Eichen beugten sich bereits seiner Kraft. Wolken flogen über den dunklen Himmel und verdeckten immer wieder den Mond. Hope trat ans Geländer und umklammerte es mit den Händen. Der Wind erfasste ihr Haar, zerrte es aus den Nadeln und presste ihr seidiges Nachthemd und den Morgenmantel abwechselnd an den Körper oder blies beides auf.
Sie lehnte sich hinaus, bis ihr schwindelig wurde. Der Swimmingpool schien ihr entgegenzukommen und nach ihr zu greifen. Das Böse in ihr stieg empor, zerrte sie mit durch die Baumwipfel und am Mond vorbei. Äste rissen an ihrer Haut und an ihrem Nachthemd. Ein riesiger Vogel schrie ihr ins Ohr, und seine schlagenden Flügel verfehlten nur knapp ihre Augen.
Und dann sah sie ihre Mutter. Das Bild formte sich aus einer dunklen Wolke, umgeben von Gold. Die Wolken ließen wieder Mondlicht durch, und das Gold glänzte lockend.
Fasziniert und entsetzt starrte Hope das Bild an. Wenn sie nach dem Gold griff, gehörte es ihr, und sie gehörte dem Bösen.
Aufjapsend kehrte sie aus ihrer Fantasiewelt in die Realität zurück. Weit hing sie über der Balkonbrüstung. Ihr war so kalt, dass sie ihre Glieder nicht mehr spürte. Was, wenn sie losgelassen und nach dem winkenden Gold gegriffen hätte?
Sie wäre abgestürzt und tot.
Mit hämmerndem Herzen richtete sie sich langsam auf, löste die Finger einen nach dem anderen vom Geländer und wich zurück.
Wieder in ihrem Schlafzimmer, schlug sie die Türen zu, verschloss sie und sank erschöpft zu Boden. Unkontrollierbar zitternd, zog sie die Beine an, schlang die Arme darum und legte das Gesicht auf die Knie.
Die Minuten verstrichen, das Zittern ließ nach, und ihr wurde langsam warm. Sie kniff die Augen zusammen und sah gleich wieder die wirbelnde schwarze Wolke, umgeben von Gold. Hope atmete tief durch. Ihre Angst schwand, und sie konnte wieder klar denken. Sie wusste plötzlich, was sie tun musste. Die Antwort hatte ihr vor Augen gestanden.
Ihre Mutter würde ihr das Geld geben, das sie brauchte. Es war sündiges Geld, dennoch gehörte es ihr. Es war ihr Erbe, genau wie die Sünde. Sie würde ihren Hass und ihren Stolz verdrängen und zu ihrer Mutter gehen.
Eine Außenseiterin werde ich nie wieder, gleichgültig, was ich dafür tun muss.
Hope stand auf und ging zum Telefon. Sie hatte Lily Pierrons Leben immer verfolgt. Daher wusste sie auch, dass sie vor fünf Monaten mit einem jungen Mann in die Stadt gezogen war. Sie bewohnten ein Apartment im French Quarter.
Hope fand die Nummer und rief an. Ihre Mutter war am Apparat. Hope legte genau die richtige Mischung aus Verzweiflung und kindlicher Unterwürfigkeit in ihre Stimme und setzte auf den Überraschungseffekt. Sie machte Lily vage Versprechungen, dass sie sie besuchen werde, sobald dies alles geklärt sei, und dass sie das Darlehen zurückzahle, dafür gebe sie ihrer Mutter einen Schuldschein.
Wie erwartet, versprach Lily, ihr alles zu geben, was sie brauchte, obwohl es einige Zeit dauern werde, die ganzen fünfhunderttausend zu beschaffen. Dafür müsse sie alle Guthaben liquidieren, und es blieben ihr dann gerade noch das Haus an der River Road und genug zum Leben.
Lächelnd legte Hope den Hörer auf. Am Dienstag würde der junge Mann ihrer Mutter das erste Drittel des Betrages im Hotel abliefern. Lily versprach, den
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