Verbotene Gefuehle
schon wahnsinnig neugierig bin, die beiden Jungs endlich kennenzulernen.
Einer der Männer, die ich bereits im Haus gesehen habe, fragt höflich nach, ob ich im Gemeinschaftsraum essen möchte. Hin- und hergerissen, zwischen dem Wunsch, Teil dieser Gruppe zu sein und der Angst, so vielen fremden Menschen auf einmal gegenübertreten zu müssen, entscheide ich mich feige, das Abendessen auf meinem Zimmer einzunehmen.
Während ich die winzigen Rosmarin-Kartöffelchen in den leckeren Kräuterquark stippe, versuche ich, mir über meine Gefühle zu Kay Klarheit zu verschaffen.
Da Kay und ich uns hier unter Menschen befinden, die allesamt wissen, wer – oder was – wir sind, müssen wir unser Spielchen „Wir tun nur so, als ob“ nicht mehr spielen. Sollte es mir daher nicht leichter fallen, mich Kay gegenüber normal zu verhalten?
Um das zu erfahren, müsste ich ihm allerdings zunächst einmal wieder gegenüber treten. Wozu ich mich definitiv noch nicht in der Lage sehe.
Auch einer der Gründe, weshalb ich die Zimmer mit den Namensschildern ganz schnell passiert habe, ohne genauer hinzugucken.
Was wäre, wenn ich Kays Namen an einer der Türen entdeckt hätte?
Hätte ich den Mut gehabt, anzuklopfen und auf das unausweichliche Gespräch zu bestehen?
Träum weiter, Kim!
Ich bin feige. Mir selbst gegenüber kann ich das ja ruhig zugeben.
Während es Neugierde ist, die den Wunsch, Renee und Vic endlich kennenzulernen, in mir größer werden lässt, ist es etwas gänzlich anderes, wenn ich mir vorstelle, plötzlich Kay gegenüber zu stehen.
Ihn wieder zu sehen, brächte doch Klarheit in mein Gefühlschaos … oder etwa nicht?
Sollte ich an diesem Ort hier nicht mit absoluter Logik in der Lage sein, das Unvermeidliche zu akzeptieren und Kay als das sehen, was er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist?
Mein Bruder!
Ein fieser Stich in meiner linken Brust bringt mich zu der Einsicht, dass ich mir aber liebend gerne noch länger etwas vormachen möchte.
Ganz sicher nicht das Gelbe vom Ei, Kim!
Müsste ich nicht endlich begreifen, dass es für uns keine gemeinsame Zukunft gibt, die über geschwisterliche Zuneigung hinausgeht?
Ja, müsste ich!
Oh, natürlich bestünde die Möglichkeit, Phil zu bitten, eine Blutuntersuchung vorzunehmen, um ganz sicher zu sein.
Aber ich bin ein elender Feigling. Oder ein hoffnungsloser Fall.
Wie dem auch sei – über all der Grübelei habe ich brav meinen Teller leer gegessen. Es war auch wirklich total lecker.
Gezielt richte ich meine Gedanken jetzt auf die Organisation:
KSP – Kids with supernatural perceptions .
Welche übernatürlichen Fähigkeiten wohl Renee und Vic haben? Und – noch viel interessanter – was werden die Untersuchungen, die so sicher wie das Amen in der Kirche auf mich warten, wohl über meine Gaben zu Tage fördern?
Ist es möglich, dass ich tatsächlich die von Selena angedeuteten Visionen habe?
Ein zweites Gesicht?
Oder handelt es sich bei meinen Träumen nur um Flashbacks, die dazu dienten, Klarheit in die Geschichte meiner Entführung zu bringen?
Und warum wurde ich überhaupt entführt?
Woher wusste mein Vate r, was in diesem Labor war?
Okay, diese Frage kann ich mir selbst beantworten. Irgendwie war da was mit Mrs. McMillan am Laufen. Aber ist die denn nicht lesbisch?
Huh, möglicherweise wurde sie das ja erst, nach dem Reinfall mit meinem Alten.
Aber was, in drei Teufels Namen, erhoffte er sich denn von mir?
Ich spüre, wie die ersten Anzeichen einer Migräne aufziehen.
Daher bin ich auch nicht wirklich sauer, als Selena in meine nicht enden wollenden Überlegungen hineinplatzt und mich zu Phil bringt.
Irre ich mich, oder ist ihre Wange bereits verheilt? Nicht eine winzig kleine Narbe … Der Blick, mit dem Selena meine Fingerspitzen beäugt, macht mir beinahe Angst.
Unmöglich, Kim! Du siehst Gespenster! Mit sanftem Druck und einem aufmunternden Lächeln schiebt mich Selena in Phils Büro.
„Ich lass‘ euch dann mal alleine, hm?“
Mit einem leisen Klicken fällt die Tür hinter mir ins Schloss und ich nehme unaufgefordert auf dem Stuhl vor Phils Schreibtisch Platz.
Nicht, dass ich unhöflich bin – aber meine wackligen Knie erlauben mir nicht, auch nur eine einzige weitere Sekunde stehen zu bleiben.
15)
Z unächst gestatte ich mir, mein Gegenüber näher in Augenschein zu nehmen.
Phil ist ein sehr gutaussehender Mann von, ich würde mal sagen, Ende dreißig. Seine blonden Haare stehen in krassem Gegensatz zu seiner olivfarbenen Haut. Die
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