Verbotene Leidenschaft
ich in Leggins und ein Sweatshirt und putze mir die Zähne. Ein Blick in den Spiegel enthüllt, dass ich todmüde aussehe.
Schmuddel-Schauspielsternchen.
Ich spucke den Zahnpastaschaum ins Waschbecken, spüle mir den Mund aus und krame im Regal nach meinen Schminkutensilien.
Ich umrande meine Augen mit Kajalstift, trage Wimperntusche, Make-up, Puder und Rouge auf, ehe ich mir die Brauen nachziehe. Besser? Wirke ich jetzt weniger schmuddelig?
Ich drehe mich vor dem Ganzkörperspiegel hin und her.
Ungepflegt und gewöhnlich?
Ich ziehe mich aus und schlüpfe in ein langes grünes Strickkleid, das ich mit flachen Lederstiefeln kombiniere.
Werden sie mich jetzt in Ruhe lassen?
»Hey, woher kommt plötzlich all das Make-up?«, fragt Leo, als ich die Bühne des Queen’s Theatre betrete.
Ich berühre meine Wange. »Ich dachte nur, ich könnte ein bisschen mehr aus mir machen.«
»Für jemand Besonderen?«
»Nein. Nur so. Wieso? Sieht es blöd aus?«
»Nein, nein, nur … irgendwie nicht nach dir.«
Ich sehe Davina in der ersten Reihe hektisch auf ihr Handy einhämmern. Neben ihrem Stuhl steht ein Becher mit dampfendem Kaffee.
Sie schaut mich kurz an, dann richtet sie den Blick wieder auf ihr Handy.
»Nett, dass Sie ausnahmsweise pünktlich sind, Sophia.«
»Das mit gestern tut mir leid. Ich bin sonst nie unpünktlich.«
»Bislang steht Ihre Statistik bei fünfzig-fünfzig.« Davina lässt ihr Telefon in die Handtasche fallen. »Hoffen wir mal, dass Sie heute besser bei Stimme sind. Träumen darf man ja.«
»Ich finde, Sophia hat eine sehr schöne Stimme«, wirft Leo ein. »Sie ist perfekt für diese Songs. So zart. Sehr nett.«
»Nun, in diesem Punkt sind wir geteilter Meinung.«
»Ich weiß selbst, dass ich nicht die stärkste Sängerin bin«, murmle ich. »Ich muss mehr üben. Und das werde ich auch.«
»Und? Gibt es etwas Neues an der Marc-Front?«, erkundigt sich Davina. »Ist es inzwischen nicht mehr ganz so kompliziert?«
»Ich … nein, ich habe ihn nicht gesehen.« Und er hat nicht angerufen. Oder eine SMS geschickt.
Davina seufzt. »Trotzdem. Kein schlechter Artikel heute Morgen. Also.« Sie klatscht in die Hände. »Fangen wir an.«
❧ 59
D ie Probe läuft noch schlechter als gestern. Davina ist noch kritischer als sonst, falls das überhaupt möglich ist. Und immer noch kein Wort von Marc. Seit zwei Tagen herrscht völlige Funkstille. Aber was habe ich erwartet? Immerhin hat er mit mir Schluss gemacht. Trotzdem hofft ein kleiner Teil von mir nach wie vor, dass es vielleicht eine Lösung für uns gibt.
Ich kehre in mein Zimmer zurück, lerne meinen Text, gehe schlafen, und ehe ich michs versehe, steht die nächste Probe auf dem Programm.
Die Tage und Wochen verschmelzen ineinander. Jeden Morgen stehe ich um sieben Uhr auf und frühstücke mit Tanya und Tom, ehe ich ins Queen’s Theatre zur Probe gehe.
Abends sind wir nie vor sieben Uhr fertig, und meistens bin ich danach so müde, dass ich nur noch eine Weile meinen Text lerne und dann ins Bett falle. Manchmal kommen Tom und Tanya vorbei, um einen Film anzusehen, aber meistens schlafe ich währenddessen ein.
Ich habe so gut wie nie Zeit, um Jen oder meine Familie zu sehen, was mich traurig macht, aber ab und zu rufe ich sie zumindest an. Ich vermisse Sam. Wie gern würde ich ihn knuddeln oder mit ihm spielen. Dad bringt ihn dazu, ein paar Gurgellaute ins Telefon zu machen, aber das ist nicht dasselbe.
»Ich habe in der Zeitung gelesen, dass ihr euch getrennt habt«, sagt Dad bei einem Telefongespräch nach einem besonders strapaziösen Probentag. »Ich hoffe, du bist deswegen nicht allzu traurig.«
»Nein«, lüge ich. »Es geht mir gut.« Ich will auf keinen Fall, dass er sich Sorgen macht.
Marc hat Wort gehalten. Ich habe ihn weder gesehen noch von ihm gehört, aber allein beim Gedanken an ihn wird mein Herz schwer. Hat er mich vergessen? Habe ich ihm überhaupt jemals etwas bedeutet? Mit jedem Tag wird es schwieriger, sich vorzustellen, dass wir überhaupt jemals eine Beziehung hatten.
Das College wird für das bevorstehende Weihnachtsfest geschmückt, was meine Traurigkeit und meine Einsamkeit nur noch größer macht. Normalerweise liebe ich Weihnachten, aber dieses Jahr nicht. Dieses Jahr habe ich nur einen Wunsch – die Feiertage irgendwie zu überstehen, ohne ständig an Marc zu denken.
Leo und ich stecken mitten in den Proben, aber es läuft alles sehr schleppend. Davina kritisiert absolut alles, was ich tue, und ich
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