Verbotene Lust
übertrieben und sind mit unserer Intimität zu sorglos umgegangen.«
»Und wie können wir etwas daran ändern?« Sie schluckte die Tränen herunter und blickte ihn hoffnungsvoll an. Wie gut er aussah, dachte sie. Selbst die Müdigkeit konnte ihm nichts antun.
»Ein halbes Jahr lang Treue. Nur du und ich. Mit einer Ausnahme«, fügte er eilig hinzu, als bekäme er plötzlich Angst vor dieser Beschneidung seiner sexuellen Freiheit.
»Und die wäre?«
»Die Ausnahme wäre, dass wir jederzeit Dritte in unser gemeinsames Bett einladen dürfen. Aber wir dürfen nicht mehr rechts und links des Wegesrands einsammeln, was wir für interessante Blüten halten.«
Das könnte funktionieren, dachte sie. Es klang zumindest vernünftig, als könnten diese Regeln ihnen eine neue Sicherheit in ihrer Ehe schenken.
»Einverstanden«, sagte sie prompt. André lächelte still. »Gut«, sagte er.
»Ja, gut«, bekräftigte sie und schmiegte sich in seine Arme. Sie schwiegen einen Moment, als wären sie nicht sicher, ob es sich bei diesem Pakt um einen Scherz handelte.
»Keine Affären mehr, außer wir pflegen sie gemeinsam«, wiederholte sie. »Das gefällt mir.«
Er küsste sie auf die roten Locken. »Du gefällst mir«, flüsterte er. »Da braucht es keine anderen Frauen.«
Sie war nicht sicher, ob er das einfach nur behauptete, oder ob es ihm wirklich ernst damit war.
Aber es war sein Vorschlag. Er hatte sich das bestimmt vorher überlegt.
Oder?
Im Grunde blieb jetzt nur noch das Problem, wie sie den Roman in der ihr noch zur Verfügung stehenden Zeit bis zum Jahresende fertigbekommen sollte.
Dass es so nicht weitergehen konnte, wusste Sonja.
Sie wusste nur nicht, was sie dagegen tun konnte, dass es so war, wie es war.
Sie hatte die halbe Nacht am Computer verbracht und mit einer Kraftanstrengung immerhin fünf Seiten geschrieben. Ob die gut waren, wollte sie am nächsten Tag entscheiden.
Das Telefonklingeln riss sie aus dem Schlaf. André war längst fort, er hatte sich, von ihr unbemerkt, morgens davongestohlen. Sie tastete nach dem Telefonhörer.
»Hallo?«, murmelte sie.
»Guten Morgen.«
»Oh, hallo.« Sie richtete sich auf. »Hallo, Frau Hoffmann. Geht’s gut?«, versuchte Sonja, sich munter zu geben.
Verdammt! Sie schaute auf den Radiowecker: kurz nach zehn. Verdammt, verdammt, verdammt! Musste ihre Lektorin denn ausgerechnet jetzt anrufen?
»Ich habe mir gedacht, ich hör mal, wie’s Ihnen geht. War die Hochzeit am Wochenende schön?«
Für einen Moment wusste Sonja nicht, was Frau Hoffmann meinte. Aber dann fiel es ihr ein: Natürlich hatte sie erzählt, sie könne am Wochenende nicht arbeiten, weil sie zur Hochzeit einer Freundin eingeladen sei.
»War toll.«
»Steht heute einiges in den Zeitungen. Aber darum rufe ich nicht an.« Frau Hoffmann machte eine Pause.
Sonja stand behutsam aus dem Bett auf. Sie angelte nach ihrem Morgenmantel und schlüpfte mit einem Arm hinein. »Sondern?«, fragte sie.
»Ich mache mir Sorgen, Frau Werner.«
»Oh. Also …«
»Sie kommen nicht besonders gut voran, stimmt’s?« Dass ihre Lektorin sich nicht mit Höflichkeiten aufhielt, mochte Sonja normalerweise an ihr. Heute empfand sie es einfach nur als anstrengend.
»Es geht so«, gestand sie.
»Sehen Sie, das merkt man doch. Sie sind ja total gehemmt. Darum habe ich einen Vorschlag. Ich hab mit unserem Chef geredet, und er findet auch, dass wir Sie mal ein bisschen hätscheln sollten. Darum möchte ich,dass Sie nachher im Verlag vorbeischauen und sich den Schlüssel zum Ferienhaus abholen, das Ihnen bis Weihnachten uneingeschränkt zur Verfügung steht.«
»Ferienhaus?«
»Unser Verleger hat ein schönes altes Ferienhaus an der Ostsee. Er stellt es Ihnen zur Verfügung. Eine kleine Luftveränderung wird Ihnen sicher guttun. Und dann: Schreiben Sie!«
»Aber ich kann doch nicht … mein Mann …«
»Ihren Mann lassen Sie halt zu Hause. Oder Sie nehmen ihn mit, das ist mir egal. Aber ich weiß, dass dieses Haus Wunder wirkt. Letzten Sommer hatte einer unserer Autoren eine so schreckliche Schreibhemmung, dass wir kein Wort aus ihm herausbekamen. Nach drei Wochen im Haus lieferte er uns einen halben Roman.«
»Das klingt zu schön, um wahr zu sein …« Sonja seufzte. »Also gut. Wir können es ja mal versuchen.«
»Wunderbar! Kommen Sie einfach mittags vorbei, dann können wir noch was essen gehen.«
Nachdem sie aufgelegt hatte, versuchte Sonja, André zu erreichen. Er ging nicht ans Telefon. Bestimmt
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