Verbotene Lust
Augenblick sah sie zwei Personen, die in weißen Schutzanzügen zur Rückseite des Hauses liefen, um es über die Veranda zu betreten.
Sie bremste. Ihre Gedanken überschlugen sich.
Polizei?
»Was ist hier los?« Sonja stieg aus und eilte auf das Haus zu. »Hallo? Was machen Sie in meinem Haus?«
Ein Mann kam auf sie zu.
»Ist das Ihr Haus?«, fragte er.
Sie spürte Panik in sich aufsteigen. Gott, was war hier bloß geschehen?
»Ich wohne hier, ja. Das Haus gehört meinem Verleger, er hat es mir für ein paar Wochen zur Verfügung gestellt. Was ist hier los?«
»Sie sind Frau Werner?«
»Ja, ja, verdammt! Was tun Sie hier?«
»Kriminalhauptkommissar Jens Eichinger.« Er streckte ihr die Hand entgegen, doch Sonja verschränkte die Arme vor der Brust. »Wir sind auf der Suchenach Ricarda Fröhlich. Soweit wir informiert sind, soll sie sich zuletzt hier aufgehalten haben.«
»Ich kenne keine Ricarda Fröhlich.«
Und während sie es noch sagte, wusste sie es. Marlene. Sie blickte beiseite. Zwei Kriminaltechniker kamen aus dem Haus, streiften die Kapuzen ihrer weißen Ganzkörperanzüge ab und trugen schwere schwarze Koffer zum Bulli.
»Ich wohne hier mit meinem Mann. Und mit einer … Bekannten. Aber sie heißt nicht Ricarda Fröhlich, sondern …« Sie atmete tief durch. »Uns hat sie sich als Marlene vorgestellt.«
Der Kommissar nickte, als ergäben ihre Worte für ihn Sinn. »Kommen Sie. Ich habe einige Fragen an Sie.«
Sonja blieb stehen. »Wo ist mein Mann?«, fragte sie.
»Wir wissen es nicht. Wir sind erst vor einer Stunde gekommen, und da war das Haus leer.«
»Sie ist nicht da?«
»Nein«, erwiderte Kommissar Eichinger sanft. »Genau deswegen sind wir ja hier, Frau Werner. – Ricarda Fröhlich wurde uns gestern Vormittag als vermisst gemeldet. Eine Freundin hat unsere Kollegen in Berlin darüber informiert, und sie meinte, sie halte sich seit einiger Zeit hier auf.«
»Ja, aber … warum sind Sie dann hier mit dem großen Aufgebot? Ich meine … nur weil eine junge Frau verschwindet, müssen Sie doch nicht unser Strandhaus durchsuchen, als handele es sich um einen Tatort?«
Jens Eichinger nahm ihren Oberarm und führte sie zur Veranda. Er geleitete sie in den Wohnraum, nickte einer Kollegin zu, die ihnen Kaffee brachte. Sonjanippte an ihrem Becher und verzog das Gesicht. Wie schaffte es die Polizei nur, so scheußlichen Kaffee zu kochen?
Der Kommissar saß ihr gegenüber, und er begann, ihr Fragen zu stellen. Wo war sie gewesen? Was wusste sie über Ricarda Fröhlich? Konnte sie die Frau anhand eines Fotos identifizieren? Er schob eine Schwarzweißaufnahme über den Tisch, und Sonja genügte ein flüchtiger Blick, um zu wissen, dass Marlene sie von Anfang an belogen hatte – das schwarze Haar hing ihr in die Augen, und sie wirkte auf dem Foto verletzlich, beinahe wie ein Kind.
»Hören Sie, wenn Sie wissen wollen, wo Marlene … also, Frau Fröhlich, wo sie ist, da müssen Sie meinen Mann fragen. Ich war über Nacht in Hamburg.«
»Ach ja?« Er zückte ein kleines schwarzes Notizbuch und einen kurzen Bleistift, den er in einem schwedischen Möbelhaus hatte mitgehen lassen, und machte eine Notiz. »Gibt es dafür Zeugen?«
Kam es ihr nur so vor, oder ging dieser Kommissar bei seiner Befragung sehr dilettantisch vor? Er sprang vor und zurück, hin und her, als wüsste er selbst nicht genau, wonach er suchte.
Oder als spielte er auf Zeit.
»Und wo ist Ihr Mann überhaupt, Frau Werner? Kommt es Ihnen nicht komisch vor, dass wir seit knapp einer Stunde hier sind und er bisher nicht aufgetaucht ist? Könnte es nicht sein, dass er vor irgendwas weggelaufen ist?«
Sonja schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Sie kennen André nicht. Er ist bestimmt joggen und kommt jeden Augenblick zurück.«
In diesem Moment kam eine Kriminaltechnikerin die Treppe herunter. Sie winkte dem Kommissar, und er entschuldigte sich kurz bei Sonja.
Sie starrte ins Leere. Draußen begann es, leicht zu schneien.
Sie legte das Gesicht in die Hände und stützte die Ellbogen auf den Tisch. Jetzt war also passiert, was sie all die Wochen in einem tief verborgenen Winkel ihres Verstands befürchtet hatte. Irgendwas war hier passiert, und es hatte mit Marlenes plötzlichem Auftauchen – und ihrem ebenso schnellen Verschwinden – zu tun.
Sie hätte ihr nicht vertrauen dürfen.
Sonja hieb mit der Faust auf den Tisch, dass der Kaffeebecher einen Satz machte. »Verdammt«, flüsterte sie. So fühlte es sich also an,
Weitere Kostenlose Bücher