Verbotene Lust
betrogen zu werden. Und nicht wie dieses diffuse Gefühl der Ahnungslosigkeit, wenn sie bloß vermutet hatte, dass eventuell …
»Hatte Ihr Mann ein Verhältnis mit Ricarda Fröhlich?« Unbemerkt war Kommissar Eichinger zurückgekommen. Diesmal setzte er sich nicht zu ihr, sondern blieb vor dem Esszimmertisch stehen.
»Ich verstehe nicht, wie Sie darauf kommen …« Außerdem hatte Sonja keine Lust, dem Polizisten zu erklären, dass Ricarda (oder Marlene, oder wie auch immer sie hieß) mit André und ihr eine Ménage à trois gepflegt hatte. Das würde dieser Dorfpolizist vermutlich nicht verstehen.
»Außerdem würde mich mal interessieren, was Ihnen das Recht gibt, einfach in unser Strandhaus einzudringen und einen Aufruhr zu veranstalten, als wäre hier ein Kapitalverbrechen begangen worden.«
Jetzt setzte sich Kommissar Eichinger wieder. Er blickte sie ernst an. »Zwei Kollegen von der Streife kamen vor zwei Stunden her, weil wir von Frau Fröhlichs Freundin wussten, dass sie sich hier aufhielt, sie aber seit Tagen nichts von ihr gehört hatte. Das Haus war unverschlossen, und die Beamten haben sich umgeschaut. Sie können meinetwegen behaupten, dass sie sich unbefugt Zutritt verschafft haben. Aber nach dem, was sie in einem Schlafzimmer im Obergeschoss gefunden haben, sehe ich keine Veranlassung, sie für ihr Verhalten zu rügen.«
Ihr wurde plötzlich eiskalt. »Gefunden?«, echote sie.
Kommissar Eichinger beugte sich vor. »Blutspuren«, sagte er. »Das Schlafzimmer sieht aus, als hätte jemand ein Blutbad angerichtet. Wir wissen nicht, von wem das Blut stammt«, fügte er hinzu. »Aber alles lässt uns darauf schließen, dass da oben ein Verbrechen verübt wurde. Und jetzt würde ich gerne den genauen Namen und die Adresse des Mannes wissen, bei dem Sie angeblich die Nacht verbracht haben.«
Sie zog ihr Handy aus der Hosentasche, scrollte durch die Liste der Anrufer und hielt ihm den Eintrag vom Vortag hin.
»Hier. Er heißt Gregor. Mehr weiß ich auch nicht, aber er wird Ihnen bestätigen, dass ich heute Nacht bei ihm war.«
Er notierte die Handynummer ungerührt in sein schwarzes Büchlein und klappte es zu. »Sie scheinen eine interessante Ehe zu führen«, sagte er nur.
»Was geht es Sie an?«, giftete Sonja ihn an.
»Wir sollten warten, ob Ihr Mann bald zurückkommt. Wenn er zurückkommt«, fügte er hinzu.
Erst da begriff Sonja, was die Polizei befürchtete. Sie sprang auf und wollte aus dem Haus stürmen, doch Kommissar Eichinger hielt sie zurück.
»Wo wollen Sie denn hin?«, rief er.
Sie beugte sich auf der Veranda über die Bank. Schaute drunter und atmete erleichtert auf. Sein Handtuch lag dort, sein Handtuch, das er immer dort platzierte, wenn er laufen ging. Und seine Laufschuhe waren nicht da. Sie hockte sich auf die Bank, legte die Wange an das Handtuch und beschwor André, heil zurückzukommen.
Kommissar Eichinger setzte sich zu ihr.
»Gestern Morgen war sie noch da«, sagte sie leise. »Wie kann es sein, dass sie gestern vermisst gemeldet wurde und dass Sie erst heute hier aufgekreuzt sind?«
»Ich weiß es nicht«, gab er zu. »Gut möglich, dass die Kollegen in Berlin erst noch weitere 24 Stunden abwarten wollten. Wir wurden heute früh darüber informiert.«
»Aber gestern war sie noch hier. Als ich morgens wegfuhr.«
Sie atmete in das Handtuch. Ein, aus. Sie glaubte, seinen Geruch wahrzunehmen, und schloss die Augen.
»Was passiert jetzt?«, fragte sie, weil Kommissar Eichinger nicht antwortete.
»Das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Wir werden die Spuren sichern, und Ihr Mann wird uns einige Fragen beantworten müssen. Dann sehen wir weiter.«
»Wir werden einen Anwalt benötigen, nicht wahr?«
Er antwortete nicht.
Sonja stand auf. Sie spürte, dass André kam, ehe sieseinen braunen Schopf sah, der sich mit jedem Schritt über den Dünenkamm schob. Erleichtert schluchzte sie auf und wollte auf ihn zulaufen. Doch der Kommissar hielt sie auf.
»Nicht«, sagte er leise. »Überlassen Sie alles Weitere uns.«
Sie sank wieder auf die Bank. Der Kommissar sprang von der Veranda, und plötzlich waren zwei Kollegen an seiner Seite. Zu dritt gingen sie auf André zu. Sonja atmete tief durch. Jetzt, da sie wusste, dass André lebte, da sie ihn sah, musste sie sich der nächsten unangenehmen Frage stellen.
Wenn er lebte – was war dann mit Marlene passiert? Und was hatte es mit dem – wie Kommissar Eichinger es genannt hatte – Blutbad im Schlafzimmer auf sich?
Sie
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