Verbotene Nacht (German Edition)
Handkuss verziehen hatte! Das wäre für ihn wahrscheinlich Nächstenliebe gewesen!
Elli erzitterte vor Wut. Sie nahm ein Kissen in den Arm und krallte ihre Hände fest in die weichen Daunen.
Er hatte ihr doch tatsächlich vorgeworfen, sie würde ihm keine zweite Chance eingestehen! Eine zweite Chance? Was hätte sie denn sagen sollen?
Ja, natürlich, Kyrill, ich versteh schon, du hast schliesslich deine Bedürfnisse…?
Er konnte wirklich zur Hölle fahren! Nie mehr würde sie mit ihm sprechen und zwar auf Lebzeiten nicht mehr! Wenn Kyrill ihr Kind jeweils an den Wocheneden besuchen kommen würde, würde sie ihn stumm in ihre Wohnung lassen. Stumm und wachsam würde sie beobachten, wie er mit seinem Sohn oder seiner Tochter spielen würde und ebenso wortlos würde sie ihm dann den Weg aus der Wohnung weisen!
Es war ja nicht so, dass sie je ernsthafte Gefühle für ihn gehegt hätte. Sie hatte sich einfach an ihn gewöhnt, das war alles. Sie hatte Vertrautheit mit Zuneigung verwechselt, das war ihr jetzt natürlich völlig klar. Umso besser, wenn sie sich ihre Gefühle nun aussortiert hatte. Manche Leute brauchten Jahre, bis sie erkannten, dass sie nur eine Illusion geliebt hatten, nicht aber ihren wirklichen Partner. Nun, ihre würde das nicht passieren.
Das Wetter schwang um. War es zuvor schwülheiss gewesen und hatte allein vereinzelte Gewitter Abkühlung gebracht, so sanken nun die Temperaturen um mindestens zehn Grad und pendelten sich um zwanzig Grad ein. Die Luft flimmerte nicht mehr in der Hitze, die Bäume ächzten nicht mehr unter dem Gewicht der Sonne und die Wiese reckte sich nicht mehr durstend dem Himmel entgegen. Alles war so still geworden. Der ganze Wald schien überrascht über die vergleichsweise milden Sommertemperaturen und schien gar nicht richtig zu wissen, was er mit der neuen Situation anfangen sollte.
Auch Elli ging es so. Es war, als hätte der Wetterumschwung sie aus ihrem Schreibtrott gerissen und ihr jegliche Energie und jeglichen Ansporn zum Schreiben geraubt. Sie konnte so viel an ihrem Laptop sitzen, wie sie wollte. Sie brachte einfach nichts mehr zustande. Während der ganzen Zeit, die sie tatenlos an ihrem Computer sass, fiel ihr noch nicht mal ein Titel für ihre neue Geschichte ein. Zuerst gab Elli noch ihr Bestes mit dem Schreiben, kämpfte pro Tag mehrere Seiten lang mit der Tastatur, nur um am folgenden Tag die qualvoll gefüllten Seiten wieder zu löschen, da sie nichts taugten. Das ging etwa eine Woche so, bis Elli ihre vergebliche Mühe satt hatte.
Statt zu schreiben fuhr sie in die Stadt und kaufte sich eine Tragtasche voller Bücher. Wenn sie schon selbst nichts zustande brachte, konnte sie sich wenigstens lesend weiterbilden.
Sie verbrachte die folgenden Tage und Wochen mit Lesen, las entweder im Bett oder draussen vor dem Haus. Manchmal entfernte sie sich auch vom Haus, spazierte in den Wald hinein, bis sie eine angenehme Stelle zu Lesen fand. Doch sie ging nie zu zweit in den Wald hinein. Ihr Bauch wurde immer grösser und sie immer langsamer. Für den Fall dass… irgendetwas passieren sollte, wollte sie möglichst schnell wieder zu Hause sein. Wenn sie in den Wald ging, achtete sie stets darauf, dass sie vom dem Baumstamm aus oder von dem Stück Wiese, auf dem sie gerade sass, stets noch die Hausspitze sehen konnte.
Wie sie sich selbst versprochen hatte, sprach sie nicht mehr mit Kyrill. Es fühlte sich gut an, ihn zu ignorieren, nach seiner halssträubenden Idee, sie solle doch über das unvermutete Auftauchen seiner Affäre einfach grosszügig hinwegsehen. Natürlich hatte er es nicht so deutlich formuliert, doch Elli war sich ganz sicher, dass er es so gemeint hatte.
Sie sprach nicht mehr mit ihm und sie dachte auch nicht mehr an ihn.
Beinahe nicht, jedenfalls. Manchmal, wenn sie las, da stahl sich plötzlich sein Gesicht in ihre Gedanken und sie sah wieder den Schmerz in seinen Augen, als sie ihn einen Hurensohn geschimpft hatte. Ein Wort, das sie noch nie zuvor in den Mund genommen hatte und es wohl auch nie wieder tun würde, aber damals, nachdem sie so gedemütigt worden war, war es genau das Richtige gewesen.
Als Elli einmal mehr auf einem Baumstamm sass und las und sich Kyrills schmerzverzerrtes Gesicht wieder in ihre Gedanken stahl, schlug sie ärgerlich ihr Buch zu. Zum Teufel mit ihren Schuldgefühlen! Wenn jemand sie haben sollte, dann Kyrill. Und da ihm nichts ferner zu liegen schien - Kyrill ignorierte sie nämlich genauso geflissentlich wie sie ihn -
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