Verbotene Sehnsucht
und zwinkerte mit den Augen, » bin ich in der Lage, persönlich für Ihre Sicherheit und Bequemlichkeit bei der Reise zu garantieren. Ich muss nämlich aus geschäftlichen Gründen nach Amerika und werde die Überfahrt gemeinsam mit Ihnen antreten.« Er suchte den Blick der Viscountess.
Die Erleichterung ihrer Mutter war praktisch mit Händen zu greifen. » Mr. Wendel, Sie machen sich keine Vorstellungen, wie sehr mir das hilft, mein Unbehagen wegen Millicents Reise zu zerstreuen. Auch ich stehe in Ihrer Schuld. Falls es etwas gibt, das ich für Sie tun kann, zögern Sie bitte nicht, es mir zu sagen.«
Der Mann lächelte breit, und Missy warf ihrer Mutter einen bedeutsamen Blick zu, bemerkte die leichte Röte, die sich auf die porzellanzarten Wangen der Viscountess schlich.
» Ich denke, Sie können mich ruhig Derrick nennen.«
Seine Antwort schien die Viscountess zu verwirren, und ein paar Sekunden lang fehlten ihr die Worte. In ihren Kreisen war es nicht üblich, dass Männer und Frauen einander beim Vornamen nannten, es sei denn, sie standen auf ausgesprochen vertrautem Fuße miteinander. Es gab sogar verheiratete Paare, die sich weiterhin förmlich mit Sir oder Lady anredeten. Eine Tatsache, die Mr. Wendel offenbar nicht bewusst war– oder die er zu ignorieren vorzog. » Nun, ich… Ja, sicher, wenn Sie es wünschen. Derrick.«
» Sie könnten mir keine größere Freude machen, Mylady.« Es klang wie eine Zärtlichkeit.
Armstrong räusperte sich lautstark. » Wendel, ich habe Sie nicht hergebracht, damit Sie mit meiner Mutter flirten.«
» Thomas«, sagte seine Mutter und warf ihm einen warnenden Blick zu, » das hat Mr.– das hat Derrick doch gar nicht getan.« Wendel schwieg und erweckte damit den Eindruck, dass der Sohn mit seiner Bemerkung nicht ganz falschlag.
Urplötzlich fühlte Missy sich benommen und irgendwie unwohl, sodass sie sich außerstande fühlte, sich weiterhin an der Unterhaltung zu beteiligen. Immer schwächer vernahm sie Stimmen, immer schneller schien sich das Zimmer um sie zu drehen. Sie schüttelte den Kopf, versuchte, dem wirbelnden Strudel irgendwie Einhalt zu gebieten, doch ihre Bewegungen machten alles nur noch schlimmer. Schließlich senkte sich Dunkelheit über sie, und ihr schwand das Bewusstsein.
Angestrengt versuchte Missy, die Augen zu öffnen. Irgendjemand umklammerte fest ihre Hand. Sie hörte die panische Stimme ihrer Mutter und sah die unverhüllte Sorge im Gesicht ihres Bruders, als sie flatternd die Lider aufschlug.
» Oh, dem Himmel sei Dank«, stöhnte die Viscountess, führte die Hand der Tochter an ihre Lippen und drückte sie dann an ihre rechte Wange – voller Erleichterung, dass sie wieder zu sich kam.
Thomas stand neben ihr…, neben ihrem Bett. Das Letzte, woran sie sich erinnern konnte, war die Begegnung mit Mr. Wendel unten in der Bibliothek. Sie schaute wieder zu ihrem Bruder, der um sie herumschwirrte wie ein überfürsorglicher Vater. Obwohl er lächelte, schauten seine grünen Augen unergründlich und besorgt.
» Du hast uns einen ordentlichen Schrecken eingejagt, junge Lady.« Sanft schob er ihr die wirren Haarsträhnen aus der Stirn.
» Das wird mir eine Lehre sein, in Zukunft nicht mehr das Abendessen und das Frühstück ausfallen zu lassen«, erwiderte sie mit dünner Stimme.
Die Viscountess tätschelte Missys Hand, die sie noch immer hielt. » Nun, wir werden den Arzt kommen lassen. Er soll einen Blick auf dich werfen, damit ich mir keine Sorgen machen muss. Thomas, bitte schicke nach Dr. Smith.« Er war verschwunden, bevor Missy protestieren konnte.
» Mama, ganz ehrlich, mir fehlt nichts. Ich habe Hunger, das ist alles. Es gibt keinen Grund, nach dem Arzt zu schicken.« Sie brauchte etwas zu essen und vielleicht ein wenig mehr Schlaf, als sie sich in der letzten Zeit gegönnt hatte.
» Wann hast du das letzte Mal deine monatlichen Beschwerden gehabt?«
Die Frage kam so plötzlich und so unerwartet, dass Missy vollkommen durcheinander war und nicht wusste, was sie antworten sollte. Sie kramte in der Erinnerung, wann es gewesen sein mochte, und es dauerte eine Ewigkeit, bis sie nach panischem Grübeln und Zählen feststellte, dass sie überfällig war. Heiße Scham stieg ihr in die Wangen, und mit der Scham stellte sich das Entsetzen darüber ein, was das unter Umständen zu bedeuten hatte.
» Bitte sag mir, dass es nicht wahr ist. Bitte sag mir, dass es nicht stimmt«, flehte ihre Mutter leise und fiebrig beinahe wie im Gebet, aber
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