Verbotene Sehnsucht
ertränken. Unser Gärtner hat sie rechtzeitig aus dem Teich gezogen, aber meine Mutter wollte keinen weiteren Zwischenfall riskieren und hat sie in die Heilanstalt geschickt.« Es bereitete Victoria sichtliche Qualen, diese Geschichte zu erzählen; ihr Atem ging schneller, und in ihren Augen schwammen ungeweinte Tränen.
James saß stocksteif auf dem Stuhl und erinnerte sich an jenes Jahr, als Lady Lillian Spencer plötzlich sang- und klanglos verschwand. Wenn die Erinnerung ihn nicht trog, war die gesamte Familie mitten in der Saison für vier Wochen aus London abgereist, was damals große Verwunderung auslöste, da man wusste, wie wichtig für die Marchioness die gesellschaftlichen Ereignisse waren. Doch man gab sich schließlich damit zufrieden, dass die Familie in Frankreich an der Eheschließung der Tochter teilnehmen wollte.
Jetzt betrachtete James die Sache in einem ganz anderen Licht. Und Lady Cornwall sowie Lady Victoria mit anderen Augen. Obwohl es ihr arglistiges Verhalten ihm gegenüber und den Versuch, ihm das Kind eines anderen unterzuschieben, nicht entschuldigte, schlich sich in Anbetracht dieser Eröffnungen doch ein Hauch Mitgefühl in sein Herz, zumindest in den hintersten Winkel.
» Mit anderen Worten, Sie befürchten, dass Ihre Mutter Sie zwingt, das Kind abzugeben?«
» Meine Mutter wird mir niemals erlauben, George zu heiraten. Und sie so bloßzustellen, wie meine Schwester das in ihren Augen getan hat. Sie setzt jetzt alle ihre überspannten Erwartungen in mich. Deshalb wird sie mich zwingen, das Kind wegzugeben. Außer ich heirate jemanden, mit dem sie einverstanden ist.«
Und dieses Dilemma war also der Grund, warum sie ihn zum Trottel gemacht hatte. Trotz seines Mitleids verspürte James nach wie vor keinerlei Neigung, sich wegen ihres Fehltritts mit Clifton opfern zu lassen.
Es schien, als könne sie seine Gedanken lesen. » Sie müssen nicht befürchten, dass ich immer noch daran festhalte, die Sache bis zum Ende durchzuziehen. Ich würde niemals erwarten, dass ein Mann mich unter solchen Umständen heiratet.«
» Ich bin mir ziemlich sicher, dass Clifton sofort bereit wäre, Sie zu heiraten.« Wenn er sich an den Zustand erinnerte, in dem er den Mann vorgefunden hatte, war er sich dieser Sache ganz sicher. Victoria musste also nichts anderes tun, als ihn ernsthaft und von ganzem Herzen um Verzeihung zu bitten.
In ihrem Blick flammte Schmerz auf. Langsam schüttelte sie den Kopf, schluckte schwer und blinzelte, um die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen.
» Ich glaube, Sie unterschätzen sich– und Clifton auch. Sie sind volljährig und können jeden Mann heiraten, den Sie wollen, sofern Sie nicht auf die Unterstützung Ihrer Eltern angewiesen sind. Das aber sind Sie bei Clifton nicht. Queen Victoria hat ihn wegen seiner Verdienste im Krieg höchstpersönlich zum Ritter geschlagen, und er ist finanziell sowieso abgesichert. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie in den Salons einen besseren Mann finden werden als ihn.«
Victoria schaute ihn an. Um ihre Lippen spielte ein zittriges Lächeln, als sie das Lob hörte. » Ich glaube, dass ich ihn schon gefunden habe. Sie sind ein außerordentlich liebenswürdiger Mann, James Rutherford. Ich wünschte, jeder würde so denken wie Sie.«
» Auf mich kommt es hier nicht an. Es ist entscheidend, was Sie empfinden und was Sie von dem Mann halten.« Er spürte, wie in ihr ein Kampf tobte, wie sie hin- und hergerissen wurde zwischen Angst und Hoffnung.
Victoria legte ihre schmale Hand auf seinen Handrücken. » Ich würde es Ihnen nicht im Geringsten übel nehmen, wenn Sie mich verabscheuen für das, was ich Ihnen angetan habe.«
James hatte sie noch nie so verwundet erlebt, auch noch nie so offen. Und obwohl er es eigentlich nicht wollte, schwand seine Verärgerung über ihre Lügen und Täuschungen in dem Maße, wie sein Mitleid und sein Verständnis für ihre Situation wuchsen. Er begriff, warum sie so gehandelt hatte, wenngleich er es natürlich nicht guthieß. Er hoffte aufrichtig, dass sie den Herausforderungen, die auf sie zukommen würden, gewachsen war.
» Ich glaube nicht, dass Sie meinen Abscheu bis an den Rest Ihres Lebens verdient haben. Allerdings überlasse ich es Ihnen, Ihre Eltern vom Ende unserer Beziehung in Kenntnis zu setzen. Sie dürfen Ihrer Mutter selbst gestehen, dass ich nicht der Vater des Kindes bin.«
Sie lächelte wehmütig. » Ich versichere Ihnen, Lord Rutherford, dass ich ganz besonders darauf
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