Verbotene Sehnsucht
unerträglich stummen Sekunden, wirbelte auf dem Absatz herum und stürmte aus dem Zimmer.
» Millicent«, begann ihre Mutter aufs Neue, » du hast doch hoffentlich begriffen, dass du nicht in der Lage sein wirst, es ihm auf Dauer zu verschweigen, oder? Früher oder später wird er der Wahrheit auf die Spur kommen.«
Ja, das würde er, dachte Missy, früher oder später. Aber sie war James wenigstens eine Warnung schuldig. » Was glaubst du, was er jetzt unternimmt?«
Seufzend setzte die Viscountess sich wieder auf die Bettkante. » Bestimmt etwas, das er irgendwann bedauern wird, davon bin ich fest überzeugt. Dein Bruder besitzt ein überschäumendes Temperament.« Sie griff nach der Hand ihrer Tochter und strich ihr zärtlich über den Handrücken. » Warum erzählst du es nicht mir, bevor dein Bruder jeden Mann zur Strecke bringt,mit dem du seit deiner Ankunft in der Stadt gesprochen hast?«
Bevor Missy sich gezwungen sah, ihrer Mutter, wie auch immer, zu antworten, stürmte ihr Bruder erneut schäumend vor Wut ins Zimmer. » Crawley oder Rutherford?«, spie er aus.
Die Viscountess hörte sofort auf, über den Handrücken ihrer Tochter zu streicheln. Missy stockte der Atem.
» James?«, rief die Viscountess.
Als sie eine Antwort schuldig blieb, kam Thomas näher, klammerte die Hände um einen der Bettpfosten. » Nein, sag nichts. Ich weiß Bescheid. Wenn ich auf eine Sache felsenfest vertraue, dann darauf, dass mein bester Freund deine Gefühle für ihn niemals auf schamlose Weise ausnützen würde. Bleibt nur noch einer, und zwar Crawley, dieser dreckige Kerl«, stieß er verächtlich hervor.
» Wer? Wie?« Missy war zu verwirrt, um einen klaren Gedanken formulieren zu können, doch Thomas wusste auch so, was sie meinte.
» Unter Androhung schrecklicher Strafen habe ich deine Schwestern gezwungen, mir zu verraten, was sie wissen. Sie haben mir von Crawleys Kuss erzählt und dass du mit Rutherford alleine im Herrensalon warst, damals bei Mutters Winterball.«
Du liebe Güte. Und das obwohl Emily und Sarah Stillschweigen gelobt und ihr versprochen hatten, kein Sterbenswörtchen zu verraten, ganz besonders Thomas nicht. Das kam davon, wenn man jüngeren Schwestern Geheimnisse anvertraute.
» Crawley ist praktisch ein toter Mann.« Er trat heftig gegen das Fußteil des Bettes, bevor er sich zum Gehen wandte.
» Warte!«, rief Missy ihm nach und rappelte sich aus den Kissen hoch, bis sie aufrecht saß.
Thomas blieb auf der Schwelle stehen, drehte sich aber nicht zu ihr um. » Was?«, herrschte er sie an.
» Nein, es war nicht Lord Crawley«, sagte sie mit kaum vernehmbarer Stimme.
Die Viscountess zog scharf den Atem ein, während Thomas wie angewurzelt auf der Stelle stand und sich nicht rührte. Nur seine Schultern hoben sich ein einziges Mal, als habe er tief Luft geholt.
» Willst du mir erzählen, dass der Mann, mit dem ich seit zehn Jahren befreundet bin und der mir so nahesteht wie meine eigene Familie, nicht nur unsere Freundschaft und das Vertrauen unserer Mutter missbraucht hat, sondern auch dafür verantwortlich ist, dass du keine Jungfrau mehr bist?« Thomas sprach mit einer Ruhe, die seinen inneren Aufruhr Lügen strafte, und drehte ihr weiterhin den Rücken zu, stützte sich mit beiden Händen schwer am Türrahmen ab.
» Wenn du jemandem die Schuld geben willst, dann mir. Ich habe das alles ausgelöst, weil ich ihn wollte, und mich ihm angeboten«, sagte sie mit niedergeschlagenem Blick. Es kostete sie allen Mut, das vor ihnen einzugestehen– und auch vor sich selbst. Ein Albtraum, den sie sich selbst zuzuschreiben hatte.
Aus den Augenwinkeln sah Missy, wie ihr Bruder sich langsam zu ihr umdrehte, und sie drückte sich wieder tiefer in die Kissen.
» Thomas, hör zu«, versuchte die Viscountess zu beschwichtigen und eilte zu ihm, » es ist nicht gut, wenn du dich in deinem gegenwärtigen Zustand mit ihm anlegst.«
» Mutter, einer meiner besten Freunde hat meine Schwester kompromittiert. Wann darf ich je damit rechnen, dass ich mich in einem Zustand befinde, der es mir erlaubt, mich mit ihm anzulegen?«, gab er kühl zurück. Er kniff die Augen zusammen und warf noch einen letzten kalten Blick auf Missy, bevor er entschwand.
Endlich wagte Missy, den Kopf zu heben und sah ihre Mutter, die auf die offene Tür starrte. Ihre Ängste waren ihr deutlich anzusehen.
» Ich werde Stevens zu Alex schicken, damit er schnellstmöglichst James informiert«, sagte die Viscountess.
» Es ist
Weitere Kostenlose Bücher