Verbotene Sehnsucht
Straucheln geriet, brachte James sich schnell hinter seinem Schreibtisch in Sicherheit. Das war alles, was ihm blieb, denn zurückzuschlagen verbot die Situation. Schließlich verdiente er die Prügel, zumindest aus des Freundes Sicht. Er versuchte Schadensbegrenzung zu betreiben.
» Ich werde Lady Victoria nicht heiraten«, keuchte James und umklammerte die lederne Rückenlehne des Stuhles mit den Fingern.
» Das interessiert mich einen Dreck«, entgegnete Armstrong und schob das Sofa mit einem kräftigen Tritt beiseite, um zu James zu gelangen. » Du hast offenbar keine Hemmungen, jede Frau zu ruinieren, an der mir liegt«, brüllte er voller Wut.
James sprang flink zur Seite, bewegte sich leichtfüßig um den Tisch herum und hielt dabei Abstand zu Armstrongs großen Fäusten, um seinen lädierten Körper zu schützen.
Aha, jetzt kam auch noch diese alte Geschichte auf den Tisch, denn der Freund spielte offenbar auf Lady Louisa an. Vor sechs Jahren hatte er sich eingebildet, in sie verliebt zu sein, bevor sie – zum Teufel – ihn, James, küsste. Ihn und nicht Thomas.Konnte es wirklich sein, dass er ihm das immer noch vorwarf?
» Ich habe Lady Louisa nicht ruiniert und nicht einmal angerührt. Eigentlich dachte ich, die Sache sei längst begraben.«
Als Armstrong die junge Dame, mit der er sich gerne verlobt hätte, dabei erwischte, wie sie sich bei einem Ball im Garten an James heranmachte, war er schweigend über die Sache hinweggegangen. James wusste nicht einmal, dass Thomas die Szene überhaupt beobachtet hatte, bis er eine Woche später jegliche Verbindung zu ihm abbrach. Was er erst wieder rückgängig machte, als ihm klar wurde, dass die Initiative von Lady Louisa ausgegangen war und James keine Schuld traf.
Dachte er jedenfalls.
Im Moment allerdings war mit Armstrong nicht zu reden. Statt einer Antwort drang nur ein grimmiges Knurren aus seiner Kehle.
» Und ich habe vor, Missy zu heiraten«, fuhr James unbeirrt fort. Er konnte nur inständig hoffen, dass seine Worte ihre Wirkung nicht verfehlten und Armstrongs Wut zu besänftigen vermochten.
Thomas lachte auf: humorlos, hohl und spöttisch. Und noch ehe James sich versah, stürzte der Freund sich über den Tisch hinweg auf ihn, packte ihn mit festem Griff bei den Schultern und schleuderte ihn gegen das Regal.
Mit einem dumpfen Laut prallte er dagegen und glitt zu Boden. Der neue Schmerz drängte den alten in den Hintergrund. Armstrong hatte ihn ganz schön zugerichtet, und das alles musste er ertragen, weil er sich im Unrecht befand. Zum Teufel mit Ehre und Anstand. Es reichte ihm, seinen Kopf hinzuhalten.
Dann lieber ein Dreckskerl, dachte er und sprang trotz seiner Schmerzen auf, nicht besonders geschmeidig oder gelenkig, aber immerhin. Mit erhobenen Fäusten trat er Armstrong entgegen. Zwar waren sie in etwa gleich stark, doch die Wut, die den Freund antrieb, schien Berge versetzen zu können. Einen Frontalangriff würde er nicht überstehen. Rasch sprang er zur Seite, legte blitzschnell seinen Unterarm auf Armstrongs Rücken und drückte ihn mit dem Gewicht seines Körpers nach unten, sodass er stolperte und zu Boden stürzte. Im Fallen jedoch schnappte er nach James’ Bein und riss ihn mit sich.
» Was zum Teufel ist los mit dir?«, schrie James und versuchte sich aus der Umklammerung von Thomas’ Beinen zu lösen. » Ich habe dir doch gesagt, dass ich sie heiraten werde.«
» Nur über meine Leiche.« Armstrong stürzte sich erneut vorwärts, stemmte sich jetzt auf die Brust seines Freundes und verpasste ihm einen weiteren Schlag, diesmal auf den linken Kiefer.
Es kam ihm vor, als habe ihn eine Kanonenkugel zerfetzt, und er wappnete sich vorsorglich gegen den nächsten Angriff.
Doch ebenso unvermittelt, wie er begonnen hatte, endete der Überfall. James spürte, wie der Druck auf seiner Brust nachließ, und öffnete vorsichtig die Augen. Hinter ihnen stand Cartwright, der sich mit allen Kräften bemühte, den wütenden Freund zu bändigen.
» Verdammt nochmal, lass mich los.« Armstrong wand sich in Cartwrights Griff, doch mit tatkräftiger Unterstützung des Butlers schafften sie es, ihn zu Boden zu drücken.
» Was zum Teufel ist hier eigentlich los?« Nur selten sprach Cartwright mit erhobener Stimme, jetzt allerdings schrie er die Frage förmlich heraus, noch voll und ganz damit beschäftigt, den Freund festzuhalten.
James setzte sich so schnell auf, wie der pochende Schmerz in seinem Kiefer und an einem Auge es erlaubte,
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