Verbotene Sehnsucht
und wischte sich mit dem Handrücken das Blut ab. Als ob es nicht schon schlimm genug wäre, stellte sich auch noch ein dumpfer Schmerz in seinem Hinterkopf ein. Er stöhnte erbärmlich, als er aufzustehen versuchte.
» Hätte vielleicht jemand die Güte, mir zu erklären, was hier eigentlich los ist?«, fragte Cartwright so gleichmütig, dass es angesichts der Situation recht unangemessen klang.
Armstrong, der inzwischen alle Versuche, sich zu befreien und James weiterhin zu verprügeln, eingestellt hatte, zischte nur: » Frag den verdammten Dreckskerl«, bevor er die Stirn auf den Teppich sinken ließ.
Cartwright wandte sich fragend an Rutherford, der jedoch in Richtung Tür nickte, wo sich ein Teil des Personals versammelt hatte, das dem ungewöhnlichen Geschehen beinahe fasziniert folgte. Ganz sicher würde er nicht vor aller Öffentlichkeit seine Probleme ausbreiten.
Er machte eine kleine Handbewegung, und beflissen entfernten sich alle. Nur Mrs. March, die Haushälterin, warf noch einen letzten bedauernden Blick zurück, bevor auch sie den Eingang zur Bibliothek verließ.
» Ich kann mir vorstellen, dass es Armstrong nicht gefällt, wenn ich unsere privaten Angelegenheiten vor aller Ohren ausposaune«, sagte er unter starken Schmerzen. » Wenn er garantiert, dass er nicht die erstbeste Gelegenheit nutzen wird, mir wieder an die Gurgel zu gehen, können wir uns vielleicht wie zivilisierte Menschen unterhalten.«
Der am Boden Liegende spannte die Nackenmuskeln an und hob den Kopf, um ihn mit zusammengekniffenen Augen zu mustern, blickte dann zu Cartwright, der ihn nicht eine Sekunde aus den Augen ließ.
» Ich werde ihn nicht anrühren«, stimmte er finster zu. » Zum Teufel, hör endlich auf, so auf mir herumzudrücken.«
Trotz Thomas’ Versicherung, ihn nicht mehr anzurühren, hielt James sorgsam Abstand, achtete sehr genau darauf, ihm nicht in die Quere zu kommen, und ließ sich seufzend auf dem Sofa nieder.
Jetzt endlich nahm Cartwright sein Knie vom Rücken des Freundes, sodass dieser aufstehen konnte und Arme und Beine zur Lockerung schüttelte.
» Er hat es verdient. Nach Kräften.« In Armstrongs Blick lag Abscheu.
Cartwright hielt sich zwischen den beiden Kontrahenten, um einem neuerlichen Angriff rechtzeitig begegnen zu können. » Was zum Teufel hat er denn getan? Du benimmst dich wie ein Wahnsinniger und siehst auch so aus.«
» Mach schon, James, warum erzählst du es ihm nicht? Dass du Missy ruiniert hast und sie jetzt deinen Bastard austragen muss.«
18
D ie körperlichen Schläge, die James hatte einstecken müssen, zählten wenig im Vergleich zu dem schmerzhaften Stich, den Armstrongs Worte ihm versetzten. Er wusste nichts zu sagen, nur das Geräusch seiner heftigen Atemzüge durchschnitt die lastende Stille im Raum, und er schaute den Mann, der bislang eigentlich sein bester Freund war, ungläubig an. Wie konnte er so etwas sagen?
Armstrong hingegen fühlte sich seltsam erleichtert, stand aufrecht und mit verschränkten Armen da. In seiner Miene spiegelte sich selbstgefällige Zufriedenheit, und er genoss James’ Reaktion, den Schock, den seine Mitteilung bei ihm ausgelöst hatte, sichtlich.
» Missy ist guter Hoffnung?«, fragte James mit leiser Stimme, gleichermaßen benommen und verwirrt.
» Was glaubst du, weshalb sie sonst ohnmächtig wird?«, knurrte Armstrong böse.
» Liebe Güte. Nein, das kannst du nicht getan haben.« Cartwright riss ungläubig die Augen auf, als er sich zu James umdrehte, und Armstrong nickte beifällig, weil auch Alex die Sache für skandalös zu halten schien.
James sagte nichts, denn zu groß war seine Verblüffung. Sie hatte ihn angelogen, ihm erklärt, dass ihre leidenschaftliche Begegnung mit Sicherheit keine Folgen haben würde, weil inzwischen ihre monatliche Regel eingesetzt habe. Warum wollte sie ihn in diesem Glauben wiegen? Aus Stolz? Um ihn zu schonen? Sicher waren ihre Motive lauterer als die von Lady Victoria, aber auch Missy entpuppte sich als geschickte Lügnerin. Es schien, als wiesen die beiden Frauen mehr Gemeinsamkeiten auf als nur ihre Neigung zu heimlichen Besuchen bei Gentlemen.
Doch trotz ihrer verlockenden Angebote war sein Verhalten natürlich verwerflich. Er hätte ihr widerstehen müssen, vor allem, da es sich um die Schwester seines engsten Freundes handelte, was die Sache noch schäbiger machte. Nein, es gab wenig, was er zu seiner Verteidigung vorbringen konnte. Nur eines stand jetzt unverrückbar fest: sein
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