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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Worte verloren sich. Mit aller Kraft zog Elizabeth ihn hoch.
    »Wir gehen weiter, John, komm doch«, bettelte sie, »es dauert nicht mehr lange!«
    Sie zog ihn mehr vorwärts, als daß er ging. Sie fühlte den Schweiß am ganzen Körper, die Haare hingen in feuchten, wirren Strähnen ins Gesicht, an den Füßen hatten sich schmerzende Blasen gebildet. Ihr verschmutztes Kleid klebte an ihr, vor lauter Seitenstechen tat ihr jeder einzelne Atemzug weh. Niemals hätte sie später zu sagen gewußt, woher sie die Kraft nahm, sich und den halb bewußtlosen John über die restlichen Meilen bis London vorwärts zu schleppen. Als sie glaubte, umzusinken vor Müdigkeit, erreichten sie die Stadt, in tiefster, schützend dunkler Nacht. Erst hier, in den engen Gassen, in denen sie sich von einem Hauseingang zum nächsten bewegten, damit John, zusammengekrümmt auf den Steinstufen sitzend, Luft holen konnte, fiel ihr siedendheiß ein, daß sie gar nicht wußte, wohin sie gehen sollten. Ihre frühere Wohnung schien ihr zu gefährlich, auch hatten sie sie zwei Tage zuvor heimlich bei Nacht und mit hohen Mietschulden verlassen, und die Wirtin würde sich wie eine Furie auf sie stürzen, wenn sie ihrer ansichtig würde. Alle Freunde, die John hatte, lebten in winzigen Zimmern und hatten Scharen von Kindern, so daß niemand bei ihnen versteckt werden konnte.
    »Was machen wir bloß«, murmelte sie. »John, fällt dir jemand ein, der uns aufnehmen würde?«

    John gab eine unverständliche, schwache Antwort. Er glühte vor Fieber und schlief bei jeder Rast ein. Elizabeth stützte schwer den Kopf in die Hände, mit letzter Energie gegen die aufsteigenden Tränen ankämpfend. Sie starrte auf die Treppenstufen unter sich, und plötzlich kam ihr ein Gedanke.
    »Samantha!« rief sie. »Ach, fänden wir nur Samantha, sie könnte uns helfen!«
    Sie dachte angestrengt nach. Samantha, die zuletzt ja in Cynthias Diensten gestanden hatte, war mit einiger Wahrscheinlichkeit nach der Flucht zu ihrem Freund Luke übergesiedelt. Wenn Luke noch in seiner alten Wohnung lebte, dann müßten die beiden dort zu finden sein. Wenn sie sich nur erinnerte! Es lag so viele, viele Jahre zurück, seit man sie bewußtlos auf den Tisch in Lukes Zimmer gelegt hatte und sie später, vom Schnaps wild hustend, nach Hause gewankt war. Aber sie lebte nun schon einige Zeit in diesem Londoner Viertel und kannte sich einigermaßen aus. Mühsam erhob sie sich.
    »Komm, John, jetzt dauert es nicht mehr lange«, flüsterte sie, »wir gehen zu Samantha!«
    Es dauerte noch die halbe Nacht, bis sie vor ein Haus kamen, in dem nach Elizabeths Erinnerung die Wohnung von Luke zu finden war. Der schwache Schein einer Laterne beleuchtete die brüchige Eingangstür und die Pflastersteine davor, zwischen denen Löwenzahn wuchs. Trübe schwarze Fenster starrten aus altem Gemäuer auf die Straße.
    Elizabeth ließ John zur Erde gleiten, wo er an die Hauswand gelehnt sitzen blieb. Sie nahm allen Mut zusammen — mochte Gott geben, daß sie hier richtig war— und schlug mit der Faust an die Tür. Der Schlag hallte dumpf durch die Nacht, aber weder in diesem Haus noch in einem anderen regte sich etwas. Immer entnervter hämmerte Elizabeth weiter, ohne zu merken, daß sie bereits weinte und am ganzen Körper zitterte. Endlich, als sie fast schon aufgab, wurde oben ruckartig ein Fenster aufgerissen, und ein großer, dunkler Schatten lehnte sich hinaus.
    »Wer, zum Teufel, ist da?« ertönte eine tiefe Männerstimme. Es war Luke.

    Erleichtert trat Elizabeth einen Schritt zurück.
    »Ich bin es«, antwortete sie. »Ich bin es, Elizabeth Landale!«
    »Wer?«
    »Elizabeth Landale. Sind Sie Luke?«
    »Ich will verdammt sein, wenn ich nicht Luke heiße. Aber ich kenne keine Elizabeth... wie?«
    »Landale. Wir haben uns vor vielen Jahren kennengelernt. Bitte... Sie müssen sich erinnern!«
    »Wenn ich mich an jede Frau erinnern wollte, die ich einmal gekannt habe, könnte ich nicht mehr ruhig schlafen!«
    »Aber Samantha weiß, wer ich bin! Ist Samantha bei Ihnen?«
    Luke fluchte.
    »Samantha schläft... genau wie ich bis eben!«
    »Bitte wecken Sie sie, bitte!«
    Luke verschwand vom Fenster. Es dauerte eine ganze Weile, bis eine magere Gestalt am Fenster erschien.
    »Wer ist da?« rief sie verschlafen und etwas heiser.
    »Oh, Gott sei Dank, Samantha!« antwortete Elizabeth. »Ich bin es, Elizabeth Landale!«
    »Elizabeth? Das kleine Mädchen von Lord Sheridy?«
    »Ja.«
    »Luke, zum Teufel, hast du

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