Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
vor, war er krank, von Mal zu Mal geschwächter, stiller und ergebener.
    »Er hat einen schlimmen Husten«, sagte Sally, nachdem John eingeschlafen war, »es ist schade, daß es Herbst wird. Im Sommer könnte er sich besser erholen.« Sie bemerkte Elizabeths angespanntes Gesicht und strich ihr tröstend über den Arm.
    »Hab keine Angst! Es wird wieder gut. Er ist kräftiger, als er aussieht. Und ich finde es richtig, daß ihr nach Devon geht. London im Herbst bringt selbst mich noch einmal um!«
    Wie zur Bestätigung ihrer Worte schlug schon am nächsten Tag das Wetter um. Als Elizabeth frühmorgens aufwachte, fröstelte sie unter der Decke, und als sie zum Fenster sah, bemerkte sie feinen Regen, der gegen die Scheibe sprühte. Schwerer, grauer Nebel hing über der Stadt. Die Wohnungen der Menschen im Londoner Armenviertel waren gegen keine Witterung wirklich zu schützen, so daß schon gegen Mittag die Feuchtigkeit durch alle Ritzen in die Zimmer drang und alsbald in jeden Winkel
kroch. Elizabeth hatte diese Tücken über dem ungetrübt heißen Sommer fast vergessen, aber sie wurden ihr nun nachdrücklich wieder ins Gedächtnis gerufen. Nichts, gar nichts blieb trocken. Der Nebel durchfeuchtete Kleider, Haare, Bettwäsche, Teppiche und ließ das Holz auf dem Fußboden fleckig werden. Man hätte sich den ganzen Tag dicht am Feuer halten müssen, um den klammen, kalten Körper aufzuwärmen, aber das konnte sich niemand leisten. Elizabeth half Sally beim Putzen, Waschen und Kochen, fühlte sich elend und verfroren, und wenn sie am Spiegel vorüberkam, bemerkte sie, daß sie zu alldem noch schlecht aussah. Ihr Gesicht war so bleich wie ein Wintermorgen, und ihre Nase wirkte zwischen den eingefallenen Wangen immer spitzer. Natürlich spielte das jetzt keine Rolle. Gleichmütig dachte sie, daß sie wieder schön sein würde, wenn der Sommer kam und sie Ruhe fand.
    Als einziger durfte John in einem Lehnstuhl dicht am Ofen sitzen. Meist lag sein Kopf zurück und er schlief, aber dann kam wieder ein heftiger Hustenanfall und riß ihn aus seinen Träumen. Elizabeth mußte sich abwenden, weil sie fürchtete, daß sie in Tränen ausbrach, wenn sie ihn so sah: Grau und eingefallen, unrasiert, mit blutleeren Lippen ließ er Anfall um Anfall über sich ergehen. Seine Hände zitterten stark, aber im Gegensatz zu früher gab er sich keine Mühe, das zu verbergen. Er starrte trübe in die Flammen, doch er lächelte wenigstens, als Elizabeth einmal zu ihm trat und ihm über die Haare strich.
    »Wie geht es dir?«
    »Ganz gut. Aber hör mal, Liebling, was meinst du, wie wir nach Devon kommen sollen? Wir haben weder eine Kutsche noch ein Pferd und schon gar kein Geld!«
    »Wir werden einen Weg finden«, meinte Elizabeth leichthin, aber John schüttelte den Kopf.
    »Ich glaube kaum, daß es leicht wird. Du besitzt keinen Farthing mehr?«
    »Keinen einzigen.«
    Sally, die neben ihnen über ein Waschfaß gebeugt dastand, richtete sich mit einem leisen Stöhnen auf.

    »Mit dem Nebel fangen die Gliederschmerzen wieder an«, meinte sie. »Ach, hätte ich bloß ein Haus auf dem Land, ich wäre eher heute als morgen dort!«
    »Wir haben kein Geld!«
    »Und wir können auch nicht helfen. Unser Erspartes würde nicht reichen, außerdem brauchen die Kinder Schuhe für den Winter und warme Kleider. Nicht einmal dafür haben wir genug! «
    Sally strich sich mit einer wütenden Bewegung die feuchten Haarsträhnen aus dem Gesicht.
    »Gottverdammtes Leben hier unten im Dreck«, sagte sie.
    »Ihr habt schon so viel für uns getan«, sagte John, »nein, diesmal muß es anders gehen!« Er tauschte mit Sally einen verständnisvollen Blick, den Blick zweier illusionsloser Menschen, die wußten, daß sie nichts zu verlieren hatten. Wie häufig in dieser Situation kam sich Elizabeth ausgeschlossen vor, wie ein Kind, von dem man die Wirklichkeit fernhalten wollte.
    »Was ist los?« fragte sie ärgerlich. »Tut nicht so überlegen, sagt mir, was ihr vorhabt!«
    »Reg dich nicht auf!« beruhigte Sally. »Wir sind selber noch nicht ganz sicher, ob...«
    »Was? Was plant ihr? Warum erfahre ich nie etwas? Ich gehöre doch zu euch und in eure Welt!«
    »Erst wenn du wenigstens einen Mord begangen hast, Liebste«, entgegnete John lächelnd, »gehörst du ganz hierher!«
    Sally gab ihm einen Rippenstoß. »Rede keinen solchen Unsinn, John. Du erschreckst Elizabeth doch. Nein, Elizabeth, wir haben keine Geheimnisse vor dir, aber wir wollten es dir vorsichtig

Weitere Kostenlose Bücher