Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
sie, »sag mir doch bitte, wie man das macht. Ich hab’ nämlich noch nie ein Pferd gestohlen!«
»Und das tust du jetzt auch nicht. Billy wird es erledigen. Du mußt nur zu ihm gehen und ihn darum bitten.«
»Gut, dann gehe ich gleich.«
John hielt ihren Arm fest.
»Bist du mir böse?«
»Ja. Irgendwann solltest du lernen, etwas sanfter mit mir umzugehen. « Sie ging, befriedigt, das noch gesagt zu haben.
Zwei Tage nachdem sie mit Billy gesprochen hatte, tauchte er am späten Abend in der Wohnung von Patrick und Sally auf und lächelte stolz.
»Vor dem südlichen Stadttor«, sagte er, »stehen ein Wagen und ein Pferd. In einer Scheune, die ihr gar nicht verfehlen könnt!«
»Du bist der treueste Freund, den ich habe«, entgegnete John erleichtert. »Elizabeth, wir brechen gleich auf.«
Sie hatten ihre wenigen Habseligkeiten schon gepackt und konnten tatsächlich sofort gehen. Obwohl Elizabeth dem Aufbruch förmlich entgegengefiebert hatte, fiel es ihr nun doch schwer, sich von Sally zu verabschieden. Auf einmal dachte sie, daß es gar nicht so einfach sein würde, es ganz allein mit John auszuhalten, niemanden zu haben, der ausglich, und niemanden, bei dem sie heimlich jammern konnte. Wenigstens gab es in Blackhill keinen Alkohol, das würde schon viel helfen.
Schweigend liefen sie nebeneinander durch die nächtlichen Straßen von London. Es war kalt, und es regnete, aber dafür begegneten sie auch niemandem. John begann wieder zu husten, rauher und reißender als je zuvor. Im nebelmatten Schein der wackligen Laternen vor den Häusern konnte Elizabeth sein graues Gesicht und die blassen Lippen erkennen. Er war krank und klagte dabei kein einziges Mal. Schon fühlte sie Schuld, ihrer eigenen angstvollen Gedanken wegen. Sich darüber zu grämen, was werden sollte, wenn sie erst in Devon waren! So wie er jetzt aussah, war die erste Schwierigkeit, dort überhaupt erst einmal hinzugelangen.
Es war nicht weit bis zum südlichen Stadttor, und sie konnten es ungehindert passieren, da die Wächter sie für harmlose Bettler hielten. Ein verschlammter Feldweg führte über eine Wiese und durch ein kurzes Waldstück hindurch zu einer weiteren Wiese, auf der tatsächlich eine verwahrloste, halbzerfallene Scheune stand, vom Mond immer wieder einmal gespenstisch beleuchtet, wenn er zwischen sturmzerfetzten Wolken für Augenblicke hervorsah. Durch den stärker werdenden Regen rannten Elizabeth und John auf das Gemäuer zu und tauchten aufatmend in die finstere, heuduftende Trockenheit ein. Aus einer Ecke erklang munteres Pferdewiehern. Beim Weitersuchen stießen sie gegen einen hölzernen Wagen.
»Gott sei Dank«, seufzte Elizabeth. John sank ins Heu, von einem so heftigen Hustenanfall geschüttelt, daß er kaum noch Luft bekam. Elizabeth kniete neben ihm und hielt seine Schultern umklammert.
»Bitte, halt durch«, flüsterte sie, »wir kommen nach Blackhill, und alles wird gut!«
John hatte sich beruhigt. Heftig atmend legte er sich zurück.
»Kannst du das Pferd einspannen?« fragte er keuchend. Elizabeth wich schockiert zurück.
»Heute nacht nicht mehr«, entgegnete sie, »auf keinen Fall!«
»Wir müssen fort! Das Pferd ist gestohlen!«
»Sie werden es nicht in einer solchen Nacht suchen!«
»Wir brauchen aber einen Vorsprung. Bitte, Elizabeth, mach nicht schon wieder Ärger!«
Sie kapitulierte vor seiner zu Tode erschöpften Stimme. Jede Aufregung schien ihn erneut in einen Hustenanfall zu treiben. Obwohl sie in der Dunkelheit nicht die eigene Hand vor den Augen erkennen konnte, machte sie sich daran, das Pferd vor den Wagen zu spannen. Jeden Handgriff mußte sie ertasten, daher dauerte es mehr als eine Stunde, bis sie fertig war. Sie führte das Tier hinaus und schauderte unter dem eisigen Regen, der ihr entgegenschlug. John war wahnsinnig, in dieser Nacht losfahren zu wollen.
Aus mitgebrachten Decken baute sie im hinteren Teil des Wagens
ein Lager und überredete John, sich dorthin zu legen. Er weigerte sich erst, da er selber kutschieren wollte, doch sie blieb hart. Schließlich gab er nach. Elizabeth ergriff die Zügel und trieb das Pferd an. Billy hatte ein starkes, gutgenährtes Tier erwischt, das willig vorwärts trabte und sich mit flach zurückgelegten Ohren durch den Sturm kämpfte. Zweimal konnte es sogar die Kutsche aus tiefen Schlammlöchern zerren. Beim drittenmal mußte Elizabeth schließlich aussteigen und das Gefährt anschieben. Sie stemmte sich mit aller Kraft dagegen, fluchend und
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