Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
hübsch«, meinte sie gönnerhaft zu Joanna, »etwas einfach, nicht? Immerhin werden Herzöge und Grafen kommen...«
»Na wenn schon«, sagte Joanna. Sie setzten sich in die Kutsche, in der es betäubend nach Belindas Parfüm duftete.
»Meine Mutter ist selbstverständlich auch da«, berichtete Belinda, »sie ist ja eine enge Freundin von Lady Stanford. Deine Mutter hat sich völlig zurückgezogen?«
Joanna antwortete nicht. Insgeheim bereute sie ihren Entschluß schon. Was hatte sie denn zu suchen unter den vielen fröhlichen Menschen?
In trüber Stimmung kam sie bei den Stanfords an. Schon von draußen erkannten sie, daß dies hier offenbar das größte Fest der Saison sein sollte, denn es war kein Aufwand gescheut worden.
Die Kutschen vor dem Haus, der helle Lichtschein, der Menschenstrom, die wunderbaren Kleider, all dies erinnerte Joanna stark an jenen unglückseligen Empfang im Haus ihrer Schwester, der von der Miliz so brutal gestört worden war. Immerhin schien es hier förmlicher zuzugehen. Damals, bei Anthony Ayleshams Empfang, hatten sich die Gäste wild durcheinander in die Säle des Hauses gestürzt, und niemand hatte gewußt, wer eingeladen war und wer nicht. Hier wurde jeder Ankommende von einem Türsteher gemeldet und mußte dann durch eine lange Reihe von Gästen hindurchgehen bis zum Ende des Empfangssaales, wo Lord und Lady Stanford standen und jeden Gast begrüßten.
Sie werden ja auch nicht von der Miliz gesucht, dachte Joanna, sie müssen sich nicht im dichtesten Menschengewühl verborgen halten.
Der Türsteher rief ihre Namen, und sie traten ein.
»Lady Belinda Darking und Lady Joanna Gallimore!«
Belinda machte ein stolzes und unnahbares Gesicht, sollte doch jeder wissen, daß sie trotz tiefer Angst und Sorge kam. Leider war ihr Äußeres nicht dazu angetan, diesen guten Eindruck aufrechtzuerhalten.
Einige Leute begannen recht laut zu tuscheln, denn sie fanden es empörend, wieviel Schmuck Belinda an sich gehängt hatte.
Lady Stanford begrüßte Joanna äußerst freundlich. Sie war eine schöne, intelligente Frau, die protzerisches Gehabe nicht leiden konnte und Frauen nur mochte, wenn sie selbständig und sachlich denken konnten. Sie fand Joanna sehr nett und Belinda entsetzlich.
»Ich hoffe, dieser Abend wird Sie ein wenig von Ihren Sorgen ablenken«, sagte sie, »wir haben interessante Gäste hier.«
»Ich glaube, es wird mir gefallen«, erwiderte Joanna. Sie hoffte nur, es werde ihr gelingen, Belinda loszuwerden, aber das erwies sich als unmöglich. Belinda hängte sich nach der Begrüßung gleich bei ihr ein und zog sie mit sich fort.
»Komm, wir sehen uns das Haus an«, schlug sie vor. »Oh, sieh nur, der Herr dort drüben, wie er mich anschaut! Das ist doch ziemlich dreist, nicht? Wenn Arthur das wüßte...« Sie kicherte und klapperte mit ihren Wimpern. Der fremde Mann war sofort bei ihnen. Er trug einen Frack aus schwarzem Samt, und seine blonden Haare waren an den Seiten zu sorgfältigen Rollen gelegt und hinten zusammengebunden.
»Meine Damen, darf ich mich vorstellen?« fragte er. »Sir Benjamin Wilkins!«
»Wie schön, Sie kennenzulernen, Sir Wilkins. Ich bin Lady Darking, und das ist meine liebste Freundin, Lady Gallimore!«
Joanna nickte dem Fremden kühl zu.
Dieser schob sich zwischen sie und Belinda und nahm jede der beiden Frauen am Arm.
»Wollen wir hinauf auf die Empore gehen und die Ankommenden begutachten?« fragte er.
»Nein, das wollen wir nicht«, entgegnete Joanna mißmutig, aber ihre Ablehnung wurde von Belindas jubelnder Zustimmung übertönt. So ließ sie sich mitführen, denn vielleicht konnte sie bekannte Gesichter entdecken.
Sir Wilkins erwies sich als charmanter Unterhalter. Er flirtete nach allen Seiten, lachte mit blitzenden Zähnen und strich sich immer wieder über sein dichtes blondes Haar. Er hatte es eindeutig auf Belinda abgesehen, wobei es ihm gleichgültig schien, daß sie als Lady Darking wohl irgendwo einen Ehemann haben mußte. So war London nun einmal, darüber mußte sich Joanna wieder einmal klarwerden, aber sie verabscheute das alles. Sie stand auf der Empore inmitten einer Schar drängelnder Menschen und starrte hinunter auf die glänzenden Marmorsteine des Fußbodens. Viele von den Namen, die aufgerufen wurden,
kannte sie von früher, aber gelangweilt stellte sie fest, daß sich die meisten Leute in der Zwischenzeit kaum verändert hatten. Sie sahen aus wie immer, aufgeputzt, neidisch, übersättigt von Geld und Liebe
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