Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
verlor völlig die Nerven.
»Hört endlich auf!« schrie sie. »Verdammt, hört auf! Wirf den Degen weg, Andrew! Und ihr anderen verschwindet! Was wollt ihr denn alle nur erreichen? O Gott, ich verstehe nicht, was ihr wollt!« Sie sah zu John hin, der am Treppengeländer im Gang lehnte und eine Hand gegen seine Wunde preßte.
»Was willst du?« Ihre Stimme überschlug sich beinahe, und sie zitterte am ganzen Körper. »Ihr seid so wahnsinnig, und du, John, bist in all den Jahren um nichts und gar nichts klüger geworden! Was glaubst du denn, bewirkst du mit diesem Gehabe hier? Du willst deine Freunde freikaufen, und du denkst, der Richter wird dir freudig die zweitausend Pfund abnehmen und glauben, du habest sie auf ganz und gar ehrlichem Weg erworben, vor allem, da kurz vorher das Haus des Earl Locksley ausgeraubt wurde, der natürlich nicht seinerseits zum Richter gehen und ihm deinen Namen nennen wird!«
Sie bebte vor Wut und vor Kummer.
John blickte sie an.
»Wir haben es versucht«, sagte er einfach, wie schon einmal an diesem Abend. In seinen Augen las Elizabeth das Wissen um alle Vergeblichkeit, ohne Auflehnung und ohne Angst. Wie er dort stand im düsteren Licht des hohen Treppenhauses mit all den würdevollen Ahnenporträts, aus der Wunde blutend, die Andrew ihm zugefügt hatte, da erschien er ihr wie die Verkörperung der Vergeblichkeit selbst. Auf einmal hätte sie weinen mögen. John hatte für etwas gekämpft, berauscht von den Gedanken der Französischen Revolution, die ihn ergriffen hatten wie
so viele Menschen in jenem wilden vergangenen Jahrhundert, und er hatte an einen Sieg geglaubt. Und dann später hatten ihn Sorgen und Not, Flucht und Gefängnis zermürbt, und sein Tun war in eine verzweifelte Sinnlosigkeit abgeglitten, doch irgendwo tief in ihm hatte es noch einen winzigen Funken von Glauben gegeben. Aber jetzt war auch dieser verloschen, und statt seiner lebte in ihm ein zynisches Wissen um Sinnlosigkeit und Ausweglosigkeit. Ihr fielen die Worte ein, die Phillip vor vielen, vielen Jahren über John gesagt hatte:
»Es gelüstet ihn danach, sich den Kopf einzurennen!«
Und Elizabeth mußte auch daran denken, was sie sich selbst immer wieder vorgehalten hatte, wenn sie an John zweifelte und Angst sie befiel:
Ich liebe ihn, und ich bleibe bei ihm, auch wenn er mich geradewegs ins Verderben führt!
Wie schön gesagt und wie jämmerlich unerreicht! Sie war abgesprungen, feige abgesprungen an jenem Abend in Devon zwei Jahre zuvor, als sie meinte, dieses Leben nicht länger aushalten zu können. Heute erst begriff sie, welche Ahnung eines Unheils sie damals in solch einen Schrecken gestürzt hatte. Zum erstenmal hatte sie in den betrunkenen Gesichtern von John und den anderen Männern jenes wonnevolle Bewußtsein des eigenen Unterganges erblickt, und eine furchtbare Angst war in ihr aufgestiegen. In diesem Moment hätte John sie am dringendsten gebraucht, aber sie war eilig davongelaufen, um Sicherheit bei Andrew zu suchen und ihn damit auch noch zu betrügen.
Und nun stand sie hier, und alles, was sie wollte, war, mit John fortzugehen.
»Ihr und dieses Land mit eurem ganzen verdammten Reichtum«, sagte John, »ihr verkommt selber, noch mehr als ihr uns in die Verkommenheit treibt.«
Edward blickte nachdenklich zu ihm hin, es schien, als wolle er etwas sagen, aber gerade da dröhnte von der Haustür ein lautes Hämmern herauf, und mehrere Stimmen begehrten lautstark Einlaß. Alle zuckten zusammen, Täter wie Opfer. Samantha wurde weiß wie eine Wand.
»O nein, wer ist das?« flüsterte sie.
»Ich weiß es nicht«, sagte Alex, ebenfalls sehr bleich, »verdammt, John, wir hätten längst...«
»Unser Kutscher«, erklärte Andrew. »Bevor wir hineingingen, befahl ich ihm, die Miliz zu holen.«
Samantha bekam sofort einen Anfall. Sie schrie wie am Spieß, hob ihre Pistole und feuerte mehrere Schüsse blind in die Gegend, ohne jemanden zu treffen. Alex stürzte auf sie zu, entriß ihr die Waffe und hielt sie an beiden Armen fest. Sie wimmerte wie ein kleines Kind.
»Ich will nicht aufgehängt werden«, ihre Stimme brach beinahe vor Angst, »bitte, ich will nicht aufgehängt werden, bitte nicht...«
»Wir müssen sofort weg«, sagte John erregt. »Elizabeth, gibt es einen anderen Ausgang?«
»Ja, die Hintertür. Ich zeige sie euch.«
»Ich werde jetzt öffnen«, verkündete Andrew. Alex richtete sofort seine Pistole auf ihn.
»Sie warten, bis wir verschwunden sind. Ich kann Sie immer
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