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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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du verschwunden. Dieser Schuß eben...«
    »Ein Soldat. Dort hinten im Garten. Ich habe ihm eine Pistole gegeben, weil er unmenschlich leiden mußte.« Elizabeth war selber erstaunt, wie klar sie sprechen konnte. Für jeden anderen Menschen hätte sie merkwürdig unbeteiligt gewirkt, aber John wußte, wie verzweifelt sie war. Er zog sie an sich.
    »Arme, tapfere Elizabeth«, flüsterte er, »weine ruhig, wenn du möchtest. Ich würde es auch tun, wenn es ginge, aber es geht einfach nicht.«
    »Du kannst nicht weinen? Ich auch nicht. Alles in mir ist kalt und wie abgestorben. Diese Schlacht...« Ihr fiel etwas ein, und sie hob den Kopf.
    »Tante Marie«, sagte sie. John strich ihr übers Haar.
    »Du mußt dir um sie keine Sorgen machen. Die Kugel hat sie in den Hals getroffen, sie war auf der Stelle tot. Sie hat keine Sekunde gelitten.«

    »Die arme Tante Marie. Ich habe sie heute zum ersten Mal gemocht, weil sie plötzlich ganz menschlich war, und nun...«
    »Wir müssen versuchen, sie so in Erinnerung zu behalten, wie sie heute war.«
    »Ja. Wie geht es Hortense?«
    »Sie sitzt immer noch auf der Treppe, aber ich glaube, sie ist jetzt eingeschlafen.«
    »Mein Gott, die Glückliche«, murmelte Elizabeth, »daß sie schlafen kann! Ich dachte vorhin, daß nichts im Leben wieder so sein wird, wie es gewesen ist.«
    »Aber Liebste, es wird wieder so sein. Wir werden so viel davon vergessen. Es scheint grausam, aber es ist wirklich gut. Wir werden es vergessen.«
    »Niemals! Diesen Tag nie!«
    »Doch. Wir werden hier leben, mit Hortense zusammen, wir werden die Verwüstung im Haus beseitigen und den Park in Ordnung bringen, den Pavillon aufbauen. Wir beide werden reisen, uns Europa anschauen und uns keinen Moment lang trennen. «
    Elizabeth stöhnte leise.
    »Aber weißt du«, flüsterte sie, »es ist auf einmal so, als könne es gar keine Hoffnung mehr geben. Ich habe das noch nie so empfunden, nicht einmal, als ich deinen Verfolger in London erschoß. Was auch immer wir erlebt haben, ich dachte, es sei etwas, das nur uns betrifft und auch nur deshalb, weil wir es herausfordern. Ich glaubte, wenn man es nur wollte, könnte man in Ruhe und Frieden leben. Aber es geht nicht. Und was geschah, betraf nie nur uns.« Sie sah sich um, das Gesicht voller Trostlosigkeit. »Wer von denen hier hat diesen Tag schon gewollt«, sagte sie, »wir nicht und die Tausende Soldaten auch nicht. Schon gar nicht die Pferde, die gar nicht wissen, warum sie in dieses Gemetzel hineingetrieben wurden und jetzt mit zerfetzten Gliedern irgendwo auf der Erde liegen. Keiner wollte es, aber keiner kann entkommen.«
    »So ist es aber immer gewesen, Elizabeth.«
    »Ja, und nur ich wollte es nie glauben. Ich hätte merken müssen,
wie verrottet die Welt ist, schon als Kind, als diese abscheuliche Miss Brande mich quälte, aus keinem anderen Grund als aus ihrer Lust am Kummer anderer heraus. Um ihre Machtgelüste zu befriedigen und ihre Gier nach Herrschaft. Wie Bonaparte!«
    »Ja, von denen gibt es eine Menge. Die Welt ist nicht gut.«
    »O nein, weiß Gott nicht!« Elizabeth trat ein paar Schritte zur Seite.
    »Komm mit«, bat sie, »wir müssen ins Haus zurück. Wir haben viel zu tun heute nacht. Wir machen ja nichts besser dadurch, daß wir hier stehen und philosophieren.« Sie ging fort, mit hochgerecktem Kopf, wie sie es immer tat, wenn sie ihre Angst nicht zeigen wollte.
    Aus der halbgeöffneten Tür fiel der Schein von Kerzen und Talglichtern hinaus auf die ausgetretenen, nassen Stufen, in deren Ritzen Gras wuchs, das einzige Gras, das vierzehn Stunden nach Beginn der Schlacht im Tal noch stand. Elizabeth atmete tief, weil sie all ihre Kraft brauchte, um das Haus mit den vielen Sterbenden zu betreten, da fühlte sie sich am Arm gepackt und herumgerissen. Sie seufzte erschrocken, dann stand sie bereits an John gepreßt, er neigte sich zu ihr hin und küßte sie, als hätte es diesen Tag nie gegeben und als wäre es eine Sommernacht wie viele andere, in denen er sie so umarmt hatte.
    »Du hast recht«, sagte er heftig, »dadurch ändern wir nichts. Aber ich liebe dich, Elizabeth, und das ist es, was wir dieser schaurigen, bösartigen Welt entgegenhalten können. Ich werde dich immer lieben. Solange ich dich habe und du bei mir bist, können wir alles ertragen, was auch geschieht!«
    Elizabeth sah in sein bleiches Gesicht und in seine glitzernden, überlebendigen Augen, aber zum ersten Mal seit sie ihn kannte, fühlte sie sich nicht von seiner

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