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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Tränen in die Augen, als sie daran dachte, wie sie vier Jahre zuvor genau die gleiche Strecke gefahren waren und sie und Joanna abwechselnd vor John auf seinem Pferd hatten reiten dürfen. Sie schluckte krampfhaft, was Belinda sofort bemerkte.
    »Mutter, ich glaube, Elizabeth weint«, sagte sie glücklich.
    Viola musterte Elizabeth scharf. »Tatsächlich«, stellte sie fest, »Kind, stell dich nicht so an!«
    Das reichte natürlich, um Elizabeths letzte Beherrschung zusammenbrechen zu lassen. Laut schluchzend fiel sie in Agathas Arme und verbrachte dort, am ganzen Körper zuckend und bebend, fast die ganze nächste Stunde. Draußen rauschten sonnendurchschienene
Wälder, malerische Dörfer und blühende Sommerwiesen vorbei, aber sie sah nichts davon. Als sie sich endlich wieder aufrichtete, mit weißem, fleckigem Gesicht und geröteten Augen, hatten sie sich schon weit von King’s Lynn entfernt.
    Sie kamen schnell voran und erreichten bereits am frühen Abend Cambridge. Ein bißchen vergaßen die Kinder ihren Schmerz, als sie durch die engen Gassen rumpelten und die prachtvollen Universitätsbauten bestaunten, zwischen denen zahllose Studenten herumliefen, verwegene Hüte auf den Köpfen und weit schwingende schwarze Mäntel über den Schultern. Manche unterhielten sich in einer sehr schön klingenden, aber völlig unverständlichen Sprache, von der Viola sagte, daß es Latein sei. Elizabeth meinte, nie etwas so Klangvolles, Elegantes gehört zu haben.
    »Werden wir auch Latein lernen?« fragte sie hoffnungsvoll. Das wäre das einzige, weswegen sich der Aufenthalt bei Miss Brande vielleicht ein ganz kleines bißchen lohnen würde. Aber Viola schüttelte den Kopf.
    »Mädchen lernen kein Latein«, erklärte sie, »ihr lernt Französisch. «
    Sie verließen Cambridge wieder und fuhren über schmale Feldwege quer durch von Abenddämmerung überschattetes Wiesenland. Hin und wieder sahen sie einen Bauernhof, häufig starrten barfüßige, magere Kinder hinter den Reisenden her. Schließlich rollten sie einen Hügel hinauf, und auf der anderen Seite, in einem idyllischen Tal, sahen sie ein großes, sehr einfaches, aber dennoch heimelig wirkendes Gebäude. Es wurde umgeben von einem weiten Park, in dem alte Bäume standen und viele Blumen blühten. Jeder mußte zugeben, daß es sich hier um ein ausgesprochen hübsches Anwesen handelte, beinahe so schön wie Heron Hall, wenn auch kleiner. Der Staub des Weges wirbelte hoch, als die Pferde, das nahe Ziel witternd, rascher den Berg hinabtrabten.
    »Ist es nicht zauberhaft?« fragte Viola. »In diesem herrlichen Haus werdet ihr leben!«
    Joanna und Elizabeth, die sich ein düsteres Gefängnis vorgestellt hatten, schwiegen.

    Aber ich werde hier unglücklich sein, trotz allem, dachte Elizabeth ahnungsvoll, ich weiß es!
    Sie rollten durch das breite Eisentor, über einen kiesbestreuten Weg bis zum Eingangsportal. Der Kutscher öffnete die Türen und half ihnen nacheinander beim Aussteigen. Etwas unsicher standen sie alle herum, dann öffnete sich plötzlich die Haustür. Hochaufgerichtet schritt eine Dame auf sie zu.
    Miss Florence Brande war beinahe fünfzig Jahre alt, eine endlos lange, magere Erscheinung, mit knochigen Armen und Beinen und leicht nach vorne gebeugtem Rücken. Sie trug ein enges, dunkelgraues Seidenkleid, zeit- und alterslos, mit vielen Spitzen verziert und am Hals mit einer bedrohlich spitzen, riesigen Rubinbrosche geschlossen. An den Handgelenken klimperten mehrere silberne Armreifen, und an den dünnen Fingern saßen wuchtige, in bräunlichen und grünlichen Farben schillernde Ringe. Dies alles wirkte furchteinflößend. Am unheimlichsten aber war das Gesicht, das dort über dem grauen Kleid schwebte. Scharf und mager wie alles an dieser Frau, beherrscht von einer mächtigen, langen, hart gebogenen Nase, deren Spitze beinahe den schmallippigen Mund berührte. Die Augen lagen ein wenig zurück, sie blickten undurchdringlich dunkel aus ihren Höhlen hervor. Darüber erhob sich eine hohe, stark gewölbte Stirn, die schließlich von einem dunkelbraunen Haaransatz begrenzt wurde, der wiederum in einem kleinen, runden Knoten am Hinterkopf verlief. Eine Frau von fast atemberaubender Häßlichkeit, doch daneben grenzenlos selbstsicher und teuflisch! In ihrem Lächeln lag die grausame Kälte einer Hexe.
    Vom allerersten Moment ihrer Begegnung an haßte Miss Brande Elizabeth. Niemand hätte zu erklären gewußt, woran das deutlich wurde, aber jeder begriff es in dem

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