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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Augenblick, in dem sie sich zu dem kleinen Mädchen hinabneigte und ihm die Hand reichte. Sie lächelte in derselben Weise wie zuvor bei Belinda und Joanna, und dennoch schien eine Welle von Abneigung plötzlich über sie hinwegzufließen. Elizabeth merkte es sofort, und auch Joanna neben ihr spürte es. Sie erstarrte beinahe vor Verwunderung. Elizabeth sah so süß aus, so klein und blaß, scheu und zart,
die riesigen Augen kullerten ihr beinahe aus dem Gesicht vor Angst. Unmerklich wich sie einen Schritt zurück, als das hagere Gesicht mit der dolchartigen Nase auf sie zukam.
    »Guten Tag«, murmelte sie ängstlich. Miss Brande sah ihr direkt in die Augen.
    »Guten Tag, mein Herzchen«, sagte sie. Elizabeth war die einzige, die sie mit dieser Anrede begrüßte, und aus ihrem Mund klang das wie eine Kriegserklärung.
    Den Kindern und Viola wurde nun das ganze Haus gezeigt. Die Inneneinrichtung erwies sich als ebenso geschmackvoll wie das Äußere des Anwesens. Es gab einige gemütliche Salons, ein großes Eßzimmer, zwei Schlafsäle und das luxuriöse Boudoir von Miss Brande, in dem es überraschend wohnlich und behaglich aussah. Ein Diener schleppte das Gepäck der Mädchen hinauf in den größeren Schlafsaal.
    »Das sind eure Betten«, sagte Miss Brande. »Hier am Fenster schläft Elizabeth Landale, daneben Belinda Fitheridge und am anderen Ende des Raumes Joanna Sheridy.«
    Elizabeth und Joanna blickten einander an.
    »Bitte, Miss Brande«, sagte Joanna, »dürfte ich mit Belinda tauschen? Elizabeth und ich würden gerne nebeneinander schlafen! «
    Miss Brande musterte sie scharf.
    »Warum denn das?« fragte sie.
    »Wir sind das so gewöhnt!«
    »Nun, Joanna«, Miss Brande hob ihre Stimme ein wenig, »was ihr von zu Hause gewöhnt seid, spielt hier überhaupt keine Rolle. Hier bestimme ich, was geschieht. In diesem Fall möchte ich mich jedoch nicht kleinlich zeigen. Du darfst mit Belinda tauschen – aber das wird sofort rückgängig gemacht, wenn ihr die Nächte dazu benutzt, zu tuscheln und zu albern! Hast du das verstanden?«
    »Ja. Vielen Dank, Miss Brande.«
    Miss Brande schritt hoheitsvoll zur Tür.
    »Ich werde euch jetzt eure neuen Freundinnen vorstellen«, sagte sie, »kommt bitte mit!«

    Sie folgten ihr eine Treppe hinunter bis zu einer breiten Eichenholztür, hinter der wirres Stimmengemurmel zu hören war.
    »Hier ist euer Wohnzimmer«, erläuterte Miss Brande. Mit einem Ruck öffnete sie und trat ein. Sofort verstummten die Stimmen. Zwei Dutzend Mädchen erhoben sich und starrten den Ankommenden entgegen.
    »O mein Gott«, flüsterte Joanna Elizabeth zu, »so viele!«
    »Kinder, das sind Belinda, Joanna und Elizabeth«, stellte Miss Brande vor, »umgekehrt werde ich die Namen wohl nicht nennen, denn ihr könnt sie so rasch kaum behalten. Ihr werdet einander bald kennenlernen.«
    Neugierige Augen musterten die drei Neuen. Elizabeth fühlte, wie ihr Hals eng wurde. Wie schrecklich, hier zu stehen und so angeblickt zu werden von dieser Horde von Fremden, mit der man sie hier zusammensperren wollte und die ihr gefahrvoller erschien als eine Bande bärtiger Banditen. Ohnehin dazu neigend, alles, was geschah, auf sich zu beziehen, glaubte sie schon jetzt Gehässigkeit und Angriffslust im Raum zu wittern, und ohne Zweifel richtete sich das gegen sie. Nervös preßte sie ihre Hände gegeneinander und beneidete Joanna, die kühl und gelassen die Blicke erwiderte. Auch Belinda wirkte viel sicherer, aber natürlich war das gar kein Wunder bei ihr, denn in ihrer selbstgefälligen Dickfelligkeit merkte sie ja überhaupt nie, welche Stimmung irgendwo herrschte. Joanna besaß echten Mut, Belinda nur die Angstlosigkeit der Dummen, davon war Elizabeth schon lange überzeugt. Nur ich, dachte sie, habe keines von beiden.
    »Ihr werdet von der langen Fahrt müde sein«, meinte Miss Brande, »das Dienstmädchen wird euch euer Abendessen hinaufbringen, und dann könnt ihr gleich schlafen. Ihr müßt morgen schon früh aufstehen!«
    Sie verabschiedeten sich von Viola, die in Cambridge ein Zimmer nehmen und am nächsten Tag nach Hause reisen wollte. »Ich kann Harriet wohl sagen, daß ihr euch wohl fühlt?« fragte sie. Miss Brande zog die Augenbrauen hoch.
    »So schnell kann ich das ja noch gar nicht beurteilen«, entgegnete Joanna.

    »Wie diplomatisch«, meinte Miss Brande honigsüß.
    »Ja, nicht wahr?« Viola lächelte herablassend. »Eine Schmeichlerin ist Joanna wirklich nicht!«
    Als sie endlich abgefahren war,

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