Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
haben mir recht gut gefallen. Ich habe darunter geschrieben, was ich davon halte.«
    Sie schritt umher und gab die Blätter zurück. Von Belinda war sofort ein Jubelschrei zu hören.
    »Hier steht: ›Eine schöne, klare, einfühlsame Arbeit!‹« schrie sie. »Habt ihr gehört, hier steht...«
    »Nicht so laut, Belinda«, mahnte Miss Brande. Belinda kicherte verschämt und tat so, als wisse sie gar nicht, wohin mit ihrer unbändigen Freude. Sie umarmte die beiden Mädchen, die neben ihr saßen, und wackelte wie wild auf ihrem Platz herum, sie preßte beide Hände gegen den Mund und wimmerte entzückt. Sie befand sich augenscheinlich derzeit in einer besonders albernen Phase ihres Lebens.
    Auch Joanna hatte ihre Arbeit zurückerhalten. Elizabeth lehnte sich hinüber und las, was darunter stand:
    ›Sehr einfache Darstellung. Wie bei dir schon gewohnt, oberflächlich und eilig angefertigt. Dennoch nicht ganz schlecht!‹
    »Dennoch nicht ganz schlecht!« wiederholte Joanna. »Lieber Himmel, wie stimmt mich das glücklich! Miss Brande hält mich noch nicht für den allerschmutzigsten Dreck!«
    Dann bemerkte sie, daß Elizabeth noch nichts vor sich liegen hatte.
    »Wo ist deine Arbeit?« fragte sie erstaunt.
    »Ich weiß nicht. Ich glaube, Miss Brande hat sie noch!«

    Tatsächlich hielt Miss Brande noch einige engbeschriebene Blätter in der Hand. Mit ihnen stellte sie sich vor die Mädchen.
    »Kinder, ich habe euch noch etwas vorzulesen«, sagte sie, »die Arbeit einer eurer Kameradinnen. Die unseres Schätzchens Elizabeth Landale.«
    Elizabeth knetete nervös ihre Hände ineinander. Könnte es sein...? Wollte Miss Brande ihren Aufsatz lobend hervorheben, fand sie ihn so gelungen, daß alle ihn zu hören bekommen sollten? Ihr Herz ging auf einmal sehr schnell und hart. Doch ganz naiv war sie nicht mehr. Sie blieb auf der Hut und blickte angespannt in die tiefdunklen Augen ihrer Feindin. Sie konnte einfach nicht glauben, daß von ihr etwas Gutes kommen sollte.
    »Nun, das Werk ist es wert, vorgelesen zu werden«, fuhr diese fort, »denn ihr könnt alle daran sehen...«, sie machte eine quälend lange Pause, »ihr könnt alle daran sehen, wie ein einziger Mensch es auf drei Seiten fertigbringt, die englische Sprache vollständig zu mißbrauchen und lächerlich zu machen!«
    Für die letzten Worte hatte sie ihre Stimme etwas erhoben. Alle saßen wie versteinert. Elizabeth starrte atemlos nach vorne, schluckte krampfhaft und fühlte, wie ihre Lippen trocken wurden. Am ganzen Körper brach ihr der Schweiß aus. Sie wollte den Mund öffnen und etwas sagen, die Hexe bitten, ruhig zu sein und nichts vorzulesen, denn wenn es wirklich so furchtbar war, was sie geschrieben hatte, dann brauchte sie sie doch nicht der Schmach auszusetzen, das hier vor allen anderen anhören zu müssen. Aber sie brachte kein Wort heraus und hörte immer lauter das Blut in ihren Ohren rauschen.
    Miss Brande kannte natürlich keine Gnade, sie nahm das Geschriebene gnadenlos auseinander, und wäre es von Shakespeare gewesen, es hätte vor ihrem Hohn nicht bestehen können. Sie las voll Übertriebenheit, legte eine lächerliche Betonung auf einzelne Wörter, hauchte einzelne Sätze nur oder legte mit schmerzlicher Gebärde eine Hand auf ihr Herz. Der ganze Bericht triefte plötzlich von sentimentaler Überschwenglichkeit, und es war den anderen Mädchen beinahe nicht übelzunehmen,
daß sie lachen mußten. Elizabeth selbst durchlebte die Hölle. Dunkelrot vor Scham, erstarrt vor Entsetzen, lauschte sie auf Miss Brandes Stimme und fühlte zwei Dutzend Augenpaare, in denen Mitleid stand oder Spott glitzerte, durchdringend auf sich gerichtet.
    Das ist das Schlimmste, dachte sie wirr, nie wieder werde ich etwas so Schlimmes... o Gott, nie wieder... Heiße Panik befiel sie, sie klammerte sich an ihren Tisch, während die Stimme unbarmherzig weiter auf sie niederhämmerte. Jahre später noch wunderte sie sich, wie sie diesen Minuten so fürchterlich viel Bedeutung hatte zumessen, wie sie in Furcht und Angst hatte fallen können, anstatt die giftige Person, die da las, überlegen zu bemitleiden. Statt dessen wand sie sich in Qualen und konnte sich nicht rühren vor Schreck. Erst als Miss Brande endete und in die Stille das Gelesene noch nachklingen ließ, schnellte sie in die Höhe, auf wackeligen, zitternden Beinen.
    »Nun, Schätzchen?« fragte Miss Brande. »Ich... mir ist nicht gut!« Zu einer längeren Auskunft fühlte sich Elizabeth nicht mehr fähig.

Weitere Kostenlose Bücher