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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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ihnen schien genau zu wissen, wohin er mußte, nur Elizabeth hatte keine Ahnung. Sie fühlte sich immer verlorener, und plötzlich kam ihr diese Flucht wieder ganz absurd vor. Bis jetzt war es ein Abenteuer ohne Konsequenzen
gewesen, noch immer könnte sie leicht umkehren, zurücklaufen und behaupten, sie habe nur einen Spaziergang gemacht. Hier, auf dem staubigen Platz, in der heißen Mittagssonne, zwischen den vielen wirren Stimmen, zuckte es sie schon in den Füßen, sofort zurückzulaufen und diesem unsinnigen Unternehmen den Rücken zu kehren. Doch genau in diesem Augenblick ertönte die brüllende Stimme eines Kutschers: »Herbei, Leute, kommt, ich habe noch zwei Plätze nach London!«
    Vielleicht war das ein Wink des Himmels, auf jeden Fall blieb keine Zeit mehr für Überlegungen. Elizabeth wußte genau, hätte sie auch nur noch einige Minuten auf einen Wagen warten müssen, sie wäre fortgelaufen. Aber so stürzte sie zu der Stelle, von der die Stimme gekommen war, und eilte auf eine Kutsche zu, in der vier Leute saßen und ungeduldig nach draußen blickten.
    »Bitte«, sagte sie atemlos, »ist dies die Kutsche nach London?«
    Der Kutscher grinste sie an.
    »Ganz alleine unterwegs, junges Fräulein?«
    »Ja.«
    »Kannst du denn zahlen?«
    »Wieviel kostet es?«
    »Zwei Pfund.«
    Elizabeth wühlte in ihrer Tasche und zerrte zwei Pfundnoten hervor, die sie dem Kutscher in die Hand drückte.
    »Gut, steig ein«, sagte er. Elizabeth kletterte in den Wagen und sank auf einen der harten Sitze. Sie wußte kaum, wo sie hinschauen sollte, denn die übrigen Reisenden musterten sie mit unverhohlener Neugierde. Es waren noch zwei alte Bauern, die mitfuhren, ein jüngerer Mann und eine verhärmte Frau, die einen Korb mit Hühnern auf dem Schoß hielt. Im letzten Moment eilte noch eine weitere Frau herbei und nahm gegenüber von Elizabeth Platz. Der Kutscher schloß die Türen, kletterte auf seinen Kutschbock, und schon zogen die Pferde an. Durch Elizabeths Bauch lief ein nervöses Kribbeln.
    Ich bin verrückt, völlig verrückt, dachte sie, wie kann ich denn bloß so etwas tun? Aber sie saß wie gelähmt, schrie nicht: »Anhalten! «, sondern starrte gebannt zum Fenster hinaus, wo die
letzten Häuser von Cambridge vorüberzogen, die Stadtmauer und dann Wiesen und Wälder und kleine Bauernhäuser. Miss Brande blieb zurück, und ihr Gehabe verblaßte bereits jetzt. Das Leben hielt ganz andere, ungeahnte Erlebnisse bereit, und für Elizabeth hatte eines begonnen.

5
    Wenige Tage später langte die Kutsche in nächtlicher Dunkelheit in London an. Elizabeth kauerte vollkommen übermüdet in ihrer Ecke, ihre Augen brannten, ihr Körper schmerzte von dem endlosen Gerüttel, und ihr Mund war ganz trocken. Sie hatte fast ununterbrochen reden müssen, denn ihr letztes Gegenüber erwies sich als äußerst redselige Dame, die Elizabeth rasch zum Opfer ihrer Tratschsucht auserkoren und in lange Unterhaltungen verwickelt hatte. Sie kam aus einer recht einfachen, aber durchaus wohlhabenden Bürgerfamilie in Ely und wollte ihre Schwester in London besuchen. Von den Tugenden dieser Schwester schwärmte sie in den höchsten Tönen und schob nur hin und wieder ein paar neugierige Fragen ein:
    »Und wo möchtest du hin, Herzchen? Wie alt bist du denn? Wirklich sechzehn?«
    Elizabeth log schamlos, setzte ihr Alter herauf und behauptete, zu einer alten Dame zu wollen, bei der sie einige Zeit leben würde.
    »Um zu lernen, einen Haushalt zu führen«, erklärte sie treuherzig.
    »Ach ja? Sie heiraten wohl bald?«
    »Ja.«
    »Wie schön! Sicher sind Sie sehr glücklich!«
    »Natürlich!« Es fiel Elizabeth nicht schwer, freudig zu strahlen, sie brauchte sich nur einen Moment lang vorzustellen, wie es
wäre, jetzt unterwegs zu sein, um von John geheiratet zu werden! Sie bedauerte selbst zutiefst, daß ihre Geschichte nicht stimmte, und beschloß, lieber vorsichtig zu sein und nicht noch mehr zu erzählen, um sich nicht in Widersprüchen zu verheddern. Leider ließ die fremde Frau nicht zu, daß sie einfach einschlief. Sie redete und fragte ohne Unterlaß und hörte erst in dem Augenblick auf, als die Kutsche irgendwo im nächtlichen London hielt und der Kutscher seinen Reisenden mit barscher Stimme befahl, auszusteigen. Ganz steif und ungelenk stieg Elizabeth aus dem Wagen. Sie fröstelte ein wenig, denn wenn es auch nicht kalt wurde in dieser Augustnacht, so war es doch nicht mehr so warm wie am Tag, und hinzu kam die Müdigkeit. Elizabeth

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