Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
Freund zu haben.
Sie waren wieder im belebteren Teil des St.-James-Parks angekommen. Aus einem Seitenweg kam ihnen eine in rosarote Seide gehüllte Belinda entgegen, die noch genauso albern zu sein schien wie als Vierzehnjährige.
»Guten Tag, Elizabeth«, grüßte sie geziert, »oh, und Andrew! «
»Guten Tag, Belinda«, entgegnete Andrew zerstreut. Belinda zupfte ihn neckisch an den Haaren.
»Warum sehen Sie denn so ernst aus? Hat Elizabeth Sie gelangweilt? «
»So wird es sein«, warf Elizabeth ein, »aber, Belinda, dir mit deinem Charme wird es rasch gelingen, ihn wieder aufzumuntern. Auf Wiedersehen, ihr beiden!« Sie lief schnell davon. Andrew sah ihr gequält nach, aber Belinda zog ihn bereits mit sich fort.
»Kommen Sie, Andrew. Es wundert mich gar nicht, daß Elizabeth Ihnen die Laune verdorben hat. Schon früher...«
Eifrig schnatternd ging sie neben ihm her. Elizabeth winkte den beiden noch einmal zu, dann wandte sie sich um und ging mit entschlossenen Schritten zu ihrer Kutsche zurück.
2
An einem kühlen Oktobertag, fast genau zwei Monate nach Phillips tragischem Tod, ließ sich morgens Lady Cynthia Aylesham bei Harriet melden. Harriet kniete gerade, in einen seidenen Morgenrock gehüllt, malerisch vor dem Kamin und spielte mit einem jungen Kätzchen, das George herangeschleppt hatte. Der Junge selbst stand vor dem Fenster und sah sehnsüchtig hinaus.
»Warum darf ich nicht auf der Straße spielen?« fragte er gerade quengelig. Harriet seufzte.
»Ich möchte nicht, daß du immer mit den Bürgerkindern zusammen bist«, erklärte sie. »Suche dir Freunde unter deinesgleichen. « a
»Da finde ich keine!«
»Sei nicht albern! Ach, guten Morgen, Cynthia!« Harriet
reichte ihrer ältesten Tochter die Hand und ließ sich von ihr die Wangen küssen.
»Guten Morgen, Mutter«, sagte Cynthia. »Wie geht es Ihnen? «
»Nun ja ... «
»Haben Sie heute früh die Times gelesen?«
»Nein.«
»Admiral Nelson ist mit großem Prunk vom italienischen König in Neapel empfangen worden, als Auszeichnung für seine Verdienste bei Abukir. Unser Gesandter am italienischen Hof, Sir Hamilton, und seine Gattin waren auch da. Die Klatschmäuler in den Salons behaupten, zwischen Nelson und Lady Hamilton bahne sich eine amouröse Beziehung an.«
»Ach, die reden immer so viel!« Harriet betrachtete ihre Tochter mißbilligend.
»Also wirklich, Cynthia, ich könnte schwören, daß du ...« Ihr Blick fiel auf George.
»Laß mich mit Cynthia allein, George«, bat sie. George verschwand.
»Ich könnte schwören«, fuhr Harriet fort, »daß du kein Korsett trägst!«
»Das stimmt, Mutter. Es gibt Leute, die behaupten, Korsetts seien ungesund.«
Harriet schüttelte den Kopf.
»Ich verstehe diese neue Zeit nicht mehr«, meinte sie, »alles verändert sich! Nun ja, ich lebe sowieso nicht mehr lange...«
»Aber reden Sie doch keinen Unsinn. Sie sind erst zweiundvierzig !«
»Ja, aber ohne meinen geliebten Phillip... doch«, Harriet riß sich zusammen, »du bist nicht gekommen, um mein Gejammere zu hören. Was führt dich her?«
Cynthia nahm auf einem Sessel Platz. Sie spielte nervös mit ihren Fingern und sah ihre Mutter nicht an.
»Mutter, ich möchte nicht, daß Sie erschrecken...«, begann sie vorsichtig. Natürlich wurde Harriet sofort blaß. Sie stand auf und trat an Cynthia heran.
»Ist irgend etwas geschehen?«
»Nein, eigentlich noch nicht. Es könnte nur sein, daß plötzlich etwas geschieht, das...mir Ungelegenheiten bereiten könnte...«
Harriet sank in einen Stuhl.
»Könntest du deutlicher werden?« rief sie aufgeregt.
»Ja, ich glaube, Sie müssen alles erfahren. Es handelt sich darum, daß Anthony sich in Schwierigkeiten gebracht hat - ohne mein Wissen, obwohl ich ahnte, daß etwas nicht stimmte.«
»Schwierigkeiten?«
»Sie wissen, Anthony ist kein schlechter Mensch«, Cynthia verkrampfte ihre Finger ineinander, »aber er ist oft etwas unbedacht und leichtlebig.«
»Oh, es hat etwas mit einer anderen Frau zu tun?«
»Nein, ausnahmsweise nicht. Das wäre wahrscheinlich weniger schlimm. Anthony hat sich, vermutlich ohne genau zu wissen, was er tat, an einer nicht ganz gesetzlichen Machenschaft beteiligt, finanziell beteiligt, und nun...«
»O mein Gott!« Harriet griff entsetzt nach ihrem Fächer und wedelte sich hastig Luft zu. »Nicht gesetzlich? Willst du damit sagen, er hat mit Verbrechern gemeinsame Sache gemacht?«
»Mutter, er tat es aus einer Weinlaune heraus. Er war mit von der
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