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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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heißen Tag beschlossen sie, zum St.-James-Park zu fahren und dort spazierenzugehen. Sie hatten für ihren Aufbruch die Mittagszeit gewählt, weil sie beide, ohne darüber zu sprechen, wußten, daß Harriet dann gewöhnlich schlief. Aber als sie leise plaudernd in ihren bunten Sommerkleidern und mit großen Federhüten die Treppe herunterkamen, ertönte schon aus einem Salon die weinerliche Stimme.

    »Joanna? Joanna, bist du das?«
    Joanna blieb stehen und verdrehte die Augen.
    »Es darf nicht wahr sein«, murmelte sie, »sie ist wach!«
    »Joanna! Elizabeth!«
    »Ich fürchte, wir müssen ihr antworten«, meinte Elizabeth. Mit erhobener Stimme rief sie:
    »Lassen Sie sich nicht stören, Tante Harriet!«
    »Kommt her. Ich möchte, daß ihr herkommt!«
    Joanna schwenkte wütend ihren Sonnenschirm. Elizabeth hob resigniert die Schultern, nahm den Arm der Freundin und zog sie mit in den kleinen Salon, aus dem der Ruf zu ihnen gedrungen war. Trotz des herrlichen Wetters brannte hier ein Feuer im Kamin. In eine weiße Decke gehüllt lag Harriet auf einem Sofa, faltig und blaß hob sich ihr Gesicht aus dem Schwarz ihres Kleides, ruhelos spielten die mageren Hände mit den viel zu weiten Brillantringen daran an der Decke herum.
    »Wir haben Sie hoffentlich nicht geweckt«, sagte Joanna.
    »Nein. Ich kann schon lange nicht mehr schlafen. Aber...«, sie richtete sich halb auf, »wie seht ihr denn aus?«
    »Warum?«
    »Ihr habt keine schwarzen Kleider mehr an!«
    »Ja, es ist so heiß draußen. Und daher dachten wir... ich glaube auch nicht, daß Vater etwas dagegen...« «
    »Eure Arme sind nicht bedeckt! Und ein bißchen tief ausgeschnitten sind die Kleider auch!«
    »Doch nur wegen der Hitze. Und tief ausgeschnitten sind die Kleider gar nicht. Die Mode ist jetzt sowieso freier, und die meisten Mädchen tragen...«
    »Ich denke nicht, daß es die Mode Töchtern vorschreibt, drei Wochen nach dem Tod des Vaters ihre schwarzen Kleider abzulegen !«
    »Tante Harriet, Sie wissen, wie sehr wir trauern«, mischte sich Elizabeth ein, »aber es wäre doch unvernünftig, deswegen einen Hitzschlag zu bekommen. Wenn Sie gerne möchten, können wir ja ein Stück schwarze Spitze um die Taille tragen.«
    Harriet starrte sie mit herabgezogenen Mundwinkeln an.
    »Wenn ich es möchte«, wiederholte sie. »Als ob ich nicht verlangen könnte, daß eure eigene Moral euch ein angemessenes Benehmen vorschreibt!«
    »Aber Mutter...«
    »Warum wollt ihr überhaupt das Haus verlassen?«
    »Wir wollen im St.-James-Park spazierengehen.«
    »Ihr wollt alleine dort spazierengehen?«
    »Nein.« Elizabeths Stimme bekam einen gereizten Unterton. »Wir sind verabredet. Andrew Courtenay und Edward Gallimore treffen sich dort mit uns.«
    »Ah. Nun, dann habt ihr ja einen schönen Tag vor euch!« Harriets Ton war so böse, daß es die Mädchen einfach nicht überhören konnten. Joanna legte beschwichtigend die Hand auf Elizabeths Arm, denn sie merkte, daß diese zunehmend ärgerlich wurde.
    »Mutter, was stört Sie denn so sehr?« fragte sie. »Glauben Sie, das sei ein Zeichen unserer nachlassenden Trauer?«
    »Ich sage ja nichts mehr!« Harriet sank in ihre Kissen zurück. »Laßt mich nur allein«, murmelte sie. Elizabeth preßte die Lippen aufeinander.
    »Mutter, zwei Stunden«, sagte Joanna, »nur zwei Stunden! Zum Dinner sind wir zurück!«
    »Ja, geht nur. Ich glaube, jede Mutter muß sich daran gewöhnen, von ihren erwachsenen Kindern im Stich gelassen zu werden. «
    Joannas Augen wurden ganz schmal.
    »Gut«, erwiderte sie ruhig, »ich bleibe.«
    »Joanna!« rief Elizabeth schockiert.
    »Ich bleibe. Mutter soll nie sagen können, daß ich sie im Stich gelassen habe. Ich bringe nur meinen Hut und meinen Schirm nach oben!« Sie stürmte aus dem Zimmer. Elizabeth blickte einen Moment lang sprachlos auf Harriet, die mit geschlossenen Augen auf ihrem Sofa lag. Dann lief sie hinter Joanna her und erreichte sie auf der Treppe.
    »Bist du verrückt?« zischte sie. »Wie kannst du ihrem Gejammere nachgeben?«

    »Ich kann ihre Leidensmiene nicht ertragen. Und die würde ich bis zum Jüngsten Gericht vor mir sehen, wenn ich jetzt fortginge. So beschäme ich sie wenigstens.«
    »Nein, überhaupt nicht. Sie glaubt sich im Recht.«
    Joanna nahm ihren Hut vom Kopf und ordnete sich die Haare.
    »Ich bleibe hier«, erklärte sie, »aber du mußt gehen, sonst warten Edward und Andrew umsonst.«
    »Ich gehe auch«, erwiderte Elizabeth wütend. »Du weißt, daß ich

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