Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
Partie, ehe er es richtig begreifen konnte!«
»Und was hat er getan?«
Cynthia starrte in die Flammen des Kamins.
»Wenn ich es richtig verstanden habe«, sagte sie, »handelt es sich um Diamanten.«
»Diamanten?«
»Diamanten aus Afrika, die illegal nach England gebracht werden.«
»Cynthia, ich glaube, ich sterbe!« Die arme Harriet verfärbte sich beinahe grün. »Bitte, sag, daß es nicht wahr ist!«
»Doch, es ist wahr. Und es nützt jetzt gar nichts mehr, sich darüber aufzuregen. Anthony hat nichts weiter getan, als einen Teil des Lohnes für die Schiffsmannschaft zu übernehmen, die das Schiff von Afrika hierhersegelt. Er sollte dafür etwas von dem Gewinn bekommen. Ah«, Cynthia warf zornig einen ihrer
Handschuhe in eine Ecke, »das alles war so unfertig und verschwommen, ich glaube, weder ich noch Anthony verstehen genau, was geschehen ist. Jedenfalls wurde uns vor zwei Tagen eine Warnung zugestellt, von einem scheußlich verwahrlosten Bettelkind, das nicht sprechen konnte und uns einen Zettel brachte, der kaum zu entziffern war. Offenbar hat es auf dem Schiff eine Meuterei gegeben, und dabei kam alles ans Tageslicht...«
»Dann wird Anthony von der Miliz gesucht?«
»Das wäre zumindest möglich. Und dann könnte es sein, daß wir von einem Moment zum nächsten England verlassen müssen — oh, Mutter, möchten Sie etwas Wasser?«
»Ja«, hauchte Harriet. Cynthia zog an einer Schnur neben dem Sofa, woraufhin gleich Edna erschien. Cynthia beauftragte sie, ein Glas Wasser zu holen. Edna kam diesem Wunsch nach, aber sie schüttelte den Kopf.
»Sie sehen sehr schlecht aus, Mylady«, meinte sie. »Lady Ayleshams Besuch scheint Sie anzustrengen!«
»Nun geh schon, Edna!« befahl Cynthia ungeduldig. Sie war für gewöhnlich viel liebenswürdiger, doch heute hatte sie eine steile Falte auf der Stirn, und ihre Lippen waren fest aufeinandergepreßt.
Edna ging hinaus, ihr schwante Böses.
Drinnen fuhr Cynthia fort: »Falls wir bei Nacht und Nebel nach Frankreich verschwinden müssen, brauchen wir sofort eine große Summe Geld. Ich wollte Sie bitten, Mutter, daß Sie das Geld beschaffen und hier im Haus bereithalten.«
Harriet blickte sie an.
»Ich soll Anthony helfen?« fragte sie. »Dem Mann, der unsere Familie in den Schmutz zieht und mein Kind unglücklich macht?« »Sie sollen mir helfen«, erwiderte Cynthia, »denn ich gehe mit Anthony. Wenn Sie ihm nichts geben wollen, so denken Sie daran, daß dann auch ich im Elend lebe!«
»Was ist mit seinem eigenen Geld?«
»O Gott, ich dachte mir, daß Sie diese Frage stellen würden!« Cynthia lachte kalt und ironisch. »Demütigend ist das alles für
mich! Von seinem Geld ist fast nichts mehr vorhanden. Wir haben ein wenig über unsere Verhältnisse gelebt in den letzten Jahren. «
»Ihr habt überhaupt kein Geld mehr?«
»Kein Bargeld. Wir haben unsere Häuser und Ländereien, aber die können wir ja nicht mitnehmen. Und der größte Teil meines Schmuckes ist bereits im Pfandhaus.«
»Zum erstenmal«, sagte Harriet langsam, »bin ich heute froh, daß dein Vater unter der Erde ruht. Daß er das nicht erleben muß. Du bist eine Sheridy, und du wirst wie eine Verbrecherin über die Grenzen fliehen. O nein, es ist so entsetzlich! Cynthia, wie konntest du denn nur...«
»Was? Anthony heiraten?«
»Er hat dich immer nur betrogen. Er hat sein Geld an den Alkohol, die Karten und die... Bordelle verschleudert. Und nun noch Diamantenschmuggel!«
»So weise haben Sie aber nicht gesprochen, als ich als unerfahrene Sechzehnjährige Anthony heiratete«, entgegnete Cynthia böse. »Im übrigen habe ich sehr gut mit ihm gelebt. Es stimmt, er hat mich betrogen, angefangen bei meinem Dienstmädchen Samantha bis hin zu deiner Freundin Viola Fitheridge...«
»Cynthia!«
»Es ist wahr, Mutter. Nicht alle Frauen sind so ehrbar wie Sie. Aber wissen Sie«, sie lächelte plötzlich sanft, »auch wenn Sie jetzt glauben, ich sei verrückt geworden: ich glaube fast, daß die Ereignisse, die jetzt geschehen sind, uns beide, Anthony und mich, wieder zusammenbringen werden. Zum erstenmal seit unserer Hochzeit braucht er mich. Und wenn er nach Frankreich gehen muß, dann gehe ich mit!«
Harriet wischte sich mit ihrem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
»Es ist wohl zu spät, sich aufzuregen«, sagte sie kraftlos, »obwohl ich nahe daran bin, ohnmächtig zu werden. Aber könntet ihr nicht wenigstens gleich das Land verlassen? Sonst werdet ihr plötzlich verhaftet,
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