Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
einer seiner Leute würde sie oben erwarten, aber vor ihnen lag nur ein langer, menschenleerer Gang.
»Jetzt müssen wir in allen Zimmern nachsehen«, meinte John.
»Vielleicht, wenn wir uns trennen...«
»Nein!«
»Nun gut. Aber überlegen Sie. Gibt es hier oben einen Raum, der, durch eine weitere Treppe möglicherweise, eine Verbindung nach draußen hat?«
»Ich weiß nicht... ich bin so durcheinander...«
»Nehmen Sie sich zusammen. Und denken Sie nach!« Johns Augen waren klar und konzentriert. Elizabeth wurde etwas ruhiger.
»Mir fällt etwas ein«, sagte sie. »Von Cynthias Schlafzimmer aus gibt es eine Verbindungstür in das Zimmer ihrer Zofe, und von dort könnte es wiederum eine Treppe zu den Räumen der übrigen Dienstboten im Keller geben!«
»Wo ist das Zimmer?«
»Hier entlang!« Elizabeth lief vor ihm her über den Flur. Sie war nicht oft in diesem Haus gewesen, und nur einmal hatte Cynthia sie durch die verwirrende Vielzahl aller Räume geführt. Es war nicht gerade leicht, sich in der Eile und unter dem Druck der Angst zurechtzufinden. Aber endlich, ganz am Ende des Ostflügels, langten sie vor der richtigen Tür an. Ohne eine einzige Sekunde zu zögern, stürzte Elizabeth in das Zimmer und schrie gleich darauf voller Entsetzen, als sie die Mündung einer Pistole auf sich gerichtet sah.
John, der direkt hinter ihr kam, zerrte sie im letzten Augenblick zur Seite, bevor sich der Schuß löste und die Kugel in der gegenüberliegenden Wand einschlug. Hinter grauem Rauch sah Elizabeth Anthonys bleiches Gesicht.
»O Gott, Anthony, bist du verrückt geworden!« Cynthia packte ihn am Arm und schüttelte ihn. »Das ist Elizabeth, auf die du gerade geschossen hast!«
Die Waffe glitt aus Anthonys Händen und fiel mit lautem Krachen auf den Boden.
»Elizabeth«, stammelte er, »das wollte ich nicht! Als die Tür plötzlich aufgerissen wurde, verlor ich einfach die Nerven!«
»Gott sei Dank ist ja nichts geschehen«, meinte John, »aber Sie sollten jetzt schnell hier weg, Sir.«
»Wo sind die Soldaten?« erkundigte sich Cynthia. Ihre Stimme klang rauh und fremd. Über ihrem schönen Abendkleid trug sie einen langen, schwarzen Mantel, dessen Kapuze sie über die Haare tief in die Stirn gezogen hatte. In der rechten Hand hielt sie eine Tasche.
»Sie durchsuchen das Haus«, entgegnete John auf ihre Frage.
Cynthia wurde energisch: »Wir müssen uns beeilen. Sicher haben sie den Schuß gehört. Bist du fertig, Anthony?«
Anthony legte sich seinen Mantel um die Schultern. Er glich in diesen Sekunden kaum mehr dem eleganten, gewandten Lebemann, den er immer so gern dargestellt hatte. Er zitterte, und an den Schläfen waren seine grau gepuderten Haare feucht geworden.
»Lord Aylesham«, sagte John, »ich weiß nicht, wie Sie von hier fortkommen wollen. Das Haus ist umstellt.«
»Was?«
»Aber es gibt keine andere Möglichkeit, als zu versuchen, an den Wachen vorbeizugelangen. Wenn Sie möchten, komme ich mit.«
»O bitte, Lord Carmody, tun Sie das!« rief Cynthia.
»Ich komme auch mit«, sagte Elizabeth.
»Nein, ausgeschlossen«, wehrte John ab, »Sie bleiben hier. Sie suchen sich Ihren Weg zurück in die Halle...«
»Nie im Leben werde ich das tun! Ich verlaufe mich und begegne diesem schrecklichen Hauptmann Willoughby. Ihr könnt mich nicht daran hindern, euch zu begleiten!«
»Gut, dann komm mit«, sagte Cynthia hastig. »Von dem Zimmer meiner Zofe geht eine Treppe hinunter in den Keller. Die können wir nehmen!«
Ohne ein weiteres Wort zu sprechen, liefen sie ins Nebenzimmer und von dort die hinter einer Tür verborgene Wendeltreppe hinab. Auf einigen Mauervorsprüngen standen brennende Kerzen, die ihnen den Weg erleuchteten und unheimliche flackernde Schatten auf die ausgetretenen Steinstufen warfen. Den Anfang der Schar machte Anthony, ihm folgte Cynthia, dann Elizabeth, und den Schluß bildete John, der Anthonys Pistole trug.
»Wie ein Geheimgang«, murmelte Elizabeth einmal schaudernd.
»Ja«, antwortete Cynthia, »das war er ursprünglich auch. Im Bürgerkrieg wurde diese Treppe gebaut, damit sich verfolgte katholische Priester hier verstecken konnten.«
»Vielleicht sind die Soldaten längst im Keller«, meinte Anthony angstvoll. »O zum Teufel, Cynthia, ich will nicht ins Gefängnis! «
»Dahin kommst du auch nicht. Wir überstehen das hier, und dann fangen wir in Frankreich oder sonst irgendwo neu an!«
Wenn ihr das hier übersteht, dachte Elizabeth insgeheim, dann bestimmt
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