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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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nichts anderes mehr kreisen als um eine Mahlzeit! Ich könnte eine ganze Ratte verspeisen, mit Haut und Haaren und langem, dünnem Schwanz!«
    John sah sie erschüttert an.
    »Ja, schau mich nur an, als sei ich verrückt geworden«, fauchte Elizabeth, »dann fällt dir vielleicht auf, wie ich aussehe! Ich habe eingefallene Wangen und so hohle Augen wie Miss Brande, und meine Kleider schlabbern wie Mehlsäcke an mir herum!«
    »Aber Elizabeth, warum hast du denn nie etwas gesagt? Ich habe nicht daran gedacht, daß du das alles nicht gewöhnt bist. Natürlich leidest du, denn...«, sein Gesicht bekam unwillkürlich einen spottenden Ausdruck, wie immer, wenn er über den reichen Adel Englands sprach, »denn du bist ja die in Adelskreisen üblichen abendlichen dreistündigen Dinners gewöhnt!«
    »Hör auf, mir ständig meine Vergangenheit vorzuhalten! Ich kann nichts dafür, und außerdem bin ich viel weniger adlig als du. Ich bin Amerikanerin, und du bist ein englischer Lord! Und nur, weil du dich in den Schmutz fallen läßt...«

    »Ach!«
    »Jawohl! Als ich dich das erste Mal in Heron Hall sah, da warst du noch stolz und schön und rittest auf einem weißen Pferd und...«
    »Deine Träume verwirren sich etwas. Ich besaß nie ein weißes Pferd!«
    »Dann war es eben kein weißes Pferd! Aber ganz gleich, ob es schwarz war oder braun oder beides, ich habe jedenfalls Hunger! Und ich will keinen Hunger haben!« Sie stampfte mit dem Fuß auf und fing, wie so oft in der letzten Zeit, zu weinen an.
    »John, ich liebe dich so«, schluchzte sie, »aber ich kann mich nicht so schnell an das neue Leben gewöhnen. Es hat sich alles so plötzlich verändert. Ich kann nur noch mit dir zusammenleben, aberich brauche trotzdem etwas zu essen!« Sie bot einen mitleiderregenden Anblick mit ihrem bleichen, verweinten Gesicht. John begriff endlich den Ernst der Situation, ging zu ihr und nahm sie in die Arme. »Mein Liebling«, sagte er zärtlich, »ich fürchte, ich war schrecklich rücksichtslos. Ich habe viel zuwenig darüber nachgedacht, wie mein Leben auf dich wirken muß. Aber ich verspreche dir: Du wirst heute soviel essen, wie du nur willst!«
    Elizabeth konnte sich nicht vorstellen, wie das möglich sein sollte, aber sie beschloß, daran zu glauben. Gemeinsam wischten sie den Boden auf und mußten schließlich sogar lachen. Als es Mittag wurde, hängte John Elizabeth ihren Mantel um die Schultern und ergriff ihre Hand.
    »Komm mit«, sagte er, »wir gehen fort.« Während des ganzen Weges hüllte er sich in geheimnisvolles Schweigen. Sie liefen durch ein Gewirr von engen Gassen, an deren Rändern gelblichbrauner Schnee lag, und manchmal holperten Karren an ihnen vorüber und bespritzten sie mit Schmutz. Hinter den dreckigen Fenstern schiefer, alter Häuser sahen verhärmte Gesichter hervor. Überall wimmelte es von Kindern mit viel zu kleinen, abgemagerten Gesichtern, von dünnen Fetzen unzureichend gegen die Kälte geschützt. Aus ihren überalterten, großen Augen sprachen Hunger, Fieber und Schwindsucht.

    Vor einem der brüchigsten Gemäuer, das Elizabeth je gesehen hatte, blieben sie endlich stehen.
    »Wir sind da«, sagte John.
    »Was ist hier?«
    »In diesem Haus wohnen gute Freunde von mir. Eine große Familie und, wie du wohl siehst, keineswegs reich, aber der Mann hat im Augenblick Arbeit, daher haben sie auch Essen, und ich bin sicher, sie laden uns ein.« Er stieß die Tür auf, und sie kamen in ein finsteres, hölzernes Treppenhaus, in dem es nach dem abgestandenen Essen von Wochen roch. Über ausgetretene Stufen folgte Elizabeth John nach oben, schon jetzt mit Übelkeit kämpfend. Wie widerlich dreckig war alles hier! Wenn sie John damit nicht enttäuscht hätte, sie wäre auf der Stelle umgekehrt.
    Doch da standen sie schon in einem engen, dunklen Zimmer, das vor Kindern förmlich überzuquellen schien. Ein riesengroßer Mann stieß einen Freudenschrei aus, stürmte auf John zu und umarmte ihn.
    »John!« schrie er. »John, daß du dich endlich auch einmal wieder sehen läßt!«
    John drehte sich zu Elizabeth um.
    »Das ist mein Freund Patrick Stewart«, stellte er vor. »Patrick, dies ist Elizabeth Landale aus Louisiana.«
    »Wie schön, Sie kennenzulernen«, sagte Patrick herzlich und schüttelte Elizabeth die Hand, »seien Sie uns willkommen!«
    »Danke schön«, murmelte Elizabeth scheu. Sie hatte das Gefühl, von tausend Kinderaugen angestarrt zu werden. Die Stewarts mußten eine ungezählte Nachkommenschaft

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