Verbotener Kuss
flüchtete. Mom und ich hatten mehr Erfolg gehabt als die meisten, die sich nach draußen wagten. Der Covenant spürte jene, die in der Außenwelt zu leben versuchten, immer wieder auf.
Nur uns hatten sie etwas zu spät gefunden.
Caleb neigte den Kopf zur Seite und betrachtete mich aufmerksam. » Wie geht es dir, seit du zurück bist? «
Ich legte mich wieder hin und starrte zur Decke hinauf. » Gut. «
» Im Ernst? « Er stand auf. » Weil du nämlich viel durchgemacht hast. «
» Schon gut, ich bin okay. «
Caleb kam herüber und setzte sich so, dass er mich beinahe auf die Seite schob.
» Autsch. «
» Alex, der Mist, der da passiert hat, muss dir etwas ausgemacht haben, verstehst du? Mich hätte er fertiggemacht. «
Ich schloss die Augen. » Ich weiß deine Besorgnis zu schätzen, Caleb, aber du hockst praktisch auf mir drauf. «
Er verlagerte sein Gewicht, blieb aber dicht neben mir sitzen. » Willst du mit mir darüber reden? «
» Hör mal. Mir geht’s gut. Klar hat es mir etwas ausgemacht. « Mühsam öffnete ich die Augen und stellte fest, dass er mich erwartungsvoll ansah. » Okay. Es hat mich fertiggemacht. Zufrieden? «
» Natürlich bin ich nicht zufrieden. «
Ich war nicht gut darin, über meine Gefühle zu reden. Zum Teufel, ich war nicht einmal gut darin, darüber nachzudenken. Aber Caleb machte nicht den Eindruck, als wolle er sich in nächster Zeit vom Fleck rühren. » Ich… versuche nicht daran zu denken. Es ist besser so. «
Er runzelte die Stirn. » Wirklich? Muss ich dir mit den psychologischen Grundlagen kommen? Zum Beispiel mit dem Satz: Wahrscheinlich ist es nicht gut, dass du nicht darüber nachdenkst. «
Ich stöhnte. » Ich hasse Psychogeschwätz, also fang erst gar nicht damit an. «
» Alex? «
Ich überhörte den Aufschrei meines Rückens, setzte mich auf und stieß Caleb von der Couch. Er fing sich mit Leichtigkeit ab. » Was soll ich denn sagen? Dass meine Mom mir fehlt? Ja, sie fehlt mir. Dass es ein total mieses Gefühl war, dabei zuzusehen, wie ein Daimon sie aussaugte? Ja, das war mies. Ob es Spaß gemacht hat, gegen Daimonen zu kämpfen und den Tod vor Augen zu haben? Nein, das hat keinen Spaß gemacht. Das war auch total mies. «
Er nickte und nahm meinen kleinen Ausbruch hin. » Musstest du eine Beerdigung für sie organisieren oder so etwas? «
» Das ist eine blöde Frage, Caleb. « Ich strich die Strähne zurück, die sich aus meinem Pferdeschwanz gelöst hatte. » Ich hatte gar keine Gelegenheit dazu. Nachdem ich den Daimon getötet hatte, tauchte ein zweiter auf. Ich bin weggerannt. «
Er wurde blass. » Hat sich jemand um ihren Leichnam gekümmert? «
Ich zuckte zusammen. » Keine Ahnung. Ich habe nicht gefragt. «
Darüber schien er nachzudenken. » Vielleicht wäre es hilfreich, eine Feier abzuhalten. Du weißt schon, eine kleine Zusammenkunft zu ihrem Gedenken. «
Ich warf ihm einen harten Blick zu. » Keine Trauerfeier. Das ist mein Ernst. Wenn du noch einmal davon anfängst, verpasse ich dir einen Tritt, und wenn ich damit meinen Hinauswurf riskiere. « Eine Trauerfeier hätte bedeutet, den Tod meiner Mutter anzuerkennen. Die undurchdringliche Mauer, die ich um mich aufgebaut hatte, würde brechen, und ich… Damit konnte ich nicht umgehen.
» Okay. Schon gut. « Er hob die Hände. » Ich dachte nur, auf diese Weise könntest du irgendwie damit abschließen. «
» Ich habe damit abgeschlossen. Schon vergessen? Ich sah sie sterben. «
Diesmal war er derjenige, der zusammenzuckte. » Alex… es tut mir so leid. Götter, ich habe ja keine Ahnung, wie du dich gefühlt hast! Ich kann es mir nicht einmal vorstellen. «
Er tat einen Schritt nach vorn und wollte mich wohl umarmen, aber ich wehrte ihn ab. Caleb schien zu begreifen, dass ich nicht mehr darüber reden wollte, und wechselte zu sicheren Themen über– zu weiterem Klatsch, weiteren Geschichten über Streiche am Covenant.
Nachdem er sich wieder aus dem Wohnheim geschlichen hatte, blieb ich noch auf der Couch liegen. Eigentlich hätte ich Hunger oder das Bedürfnis nach Gesellschaft haben sollen, empfand aber nichts dergleichen. Unser Gespräch– jedenfalls der Teil über meine Mom– fühlte sich an wie eine eiternde Wunde. Ich konzentrierte mich auf den Klatsch, den ich erfahren hatte, und dachte sogar daran, wie nett Jackson mittlerweile aussah– sogar Caleb, denn er war in den letzten drei Jahren wirklich muskulöser geworden. Aber die Gedanken wichen rasch den Bildern von Aiden
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