Verbotener Kuss
leise.
Er ging langsamer und wirkte verblüfft. » Du hast recht. Ich hatte das Bedürfnis, Wächter zu werden– und daran hat sich seitdem nichts geändert. « Er unterbrach sich und wandte den Blick ab. » Natürlich verstehst du das. Du hast dieses Bedürfnis ebenfalls. «
» Ja. «
» Wie hast du überlebt? « Diese Frage war an mich gerichtet.
Mir wurde unbehaglich zumute, und ich konzentrierte mich auf das stille Wasser des Meeres. Bei Nacht und im Mondschein wirkte es schwarz und dick wie Öl. » Keine Ahnung. «
» Weil dir nichts anderes übrig blieb, Alex. «
Ich hob die Schultern. » Wahrscheinlich. «
» Du redest nicht gern darüber, wie? «
» Ist das so offensichtlich? «
Wir blieben an der Stelle stehen, wo der Weg zu den Wohnheimen sich gabelte. » Du hältst es für besser, nicht darüber zu sprechen? « Seine Stimme hatte einen ernsten Unterton, und er klang viel älter. » Du hast ja kaum Zeit gehabt, damit klarzukommen, was mit deiner Mutter passiert ist… was du mitangesehen hast und tun musstest. «
Ich spürte, wie sich etwas an meinem Kiefer zusammenzog. » Ich musste tun, was alle Wächter tun müssen. Ich trainiere, um Daimonen zu töten. Und ich kann mit niemandem reden. Marcus ahnt nicht, wie schwer es mir fällt, damit umzugehen. Sonst hätte er mich längst persönlich an Lucian übergeben. «
Aiden blieb stehen, und als er mich ansah, drückte seine Miene unendliche Geduld aus. Wieder fühlte ich mich daran erinnert, was Deacon gesagt hatte. » Du bist siebzehn. Die meisten Wächter töten erst etwa ein Jahr nach ihrem Abschluss zum ersten Mal. «
Ich seufzte– das war eine gute Gelegenheit, das Thema zu wechseln. » Weißt du noch, was du gesagt hast: dass deine Eltern sich dieses Leben nicht für dich ausgesucht hätten? «
Aiden nickte, und auf seiner Miene zeichnete sich Neugier ab. Wahrscheinlich fragte er sich, worauf zum Teufel ich hinauswollte.
» Ich glaube– nein, ich weiß, dass sie trotzdem stolz auf dich wären. «
Er zog die Augenbrauen hoch. » Wieso das? Weil ich angeboten habe, dich zu trainieren? «
» Nein. Weil ich mich an dich erinnere. «
Meine Worte schienen ihn zu überrumpeln. » Woher? Wir waren nie in einer Klasse oder hatten denselben Stundenplan. «
» Ich habe dich ein paarmal gesehen. Ich wusste immer, wenn du in der Nähe warst « , platzte ich heraus.
Aidens Mundwinkel zuckten, als er auf mich herabsah. » Was? «
Errötend trat ich einen Schritt zurück. » Ich meine, du hattest den Ruf, so unheimlich toll zu sein. Obwohl du noch zur Schule gegangen bist, wusste jeder, dass du ein überragender Wächter werden würdest. «
» Ach. « Wieder lachte er und entspannte sich ein wenig. » Soll ich mich jetzt geschmeichelt fühlen? «
Ich nickte heftig. » Das solltest du. Die Halbblüter sehen zu dir auf. Jedenfalls die, die Wächter werden wollen. Gerade neulich haben sie mir erzählt, wie viele Daimonen du getötet hast. Das ist legendär. Besonders für ein Reinblut… tut mir leid. Ich meine nicht, dass das Töten vieler Daimonen eine tolle Sache ist oder etwas, worauf man stolz sein sollte, aber… Ich halte wohl besser den Mund. «
» Nein. Ich verstehe, was du meinst. Das Töten ist in unserer Welt eine Notwendigkeit. Jeder Tod fordert seinen Tribut, denn der Daimon war früher ein guter Mensch, vielleicht sogar ein Mensch, den man kannte. Es ist nie leicht, jemandem das Leben zu nehmen, aber auf jemanden hinunterzusehen, den man einmal als Freund betrachtet hat, ist… viel schwerer. «
Ich verzog das Gesicht. » Ich weiß nicht, ob ich das könnte… « Ich sah, wie die Belustigung aus seinem Gesicht wich. Das war wohl nicht die richtige Antwort gewesen. » Ich meine, wenn wir Halbblüter einen Daimon sehen, dann nehmen wir ihn so wahr, wie er wirklich aussieht. Zumindest zu Anfang, und dann sehen wir ihn so, wie er früher war. Das weißt du natürlich schon, obwohl du die dunkle Magie nicht so durchschaust wie wir. Doch, ich könnte es. Ich könnte bestimmt jemanden töten, den ich einmal kannte. «
Aiden warf die Lippen auf und hob den Blick. » Es ist schwer, wenn es jemand ist, den man gekannt hat. «
» Hast du schon einmal gegen jemanden gekämpft, den du gekannt hast, bevor er zur dunklen Seite übergelaufen ist? «
» Ja. «
Ich schluckte. » Hast du…? «
» Ja. Es war nicht leicht. « Er sah mich unverwandt an. » Es ist spät geworden– für dich lange nach deiner Ausgangssperre, und du kommst mir
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