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Verbrannte Träume.

Verbrannte Träume.

Titel: Verbrannte Träume. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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wofür er bisher gelebt hatte. Und ob er jemals begreifen würde, daß Ulli und ich so nicht hatten leben wollen.
    Wir tranken den Kaffee in der Küche. Mein Vater wollte auch eine Tasse. Die beiden Moltofill-Pakete schienen ihn mit Ulli zu versöhnen. Nachdem ich ihm eingeschenkt und er einen Schluck getrunken hatte, meinte er, wie in Gedanken versunken: »Soll man keinem wünschen, so einen Tod. Aber vielleicht war er bewußtlos. Dann hat er nicht viel davon gemerkt. Im Auto verbrannt, scheußlich.«
    Mein Vater schüttelte den Kopf. Und dann sagte er diesen Satz: »Wenn da mal keiner nachgeholfen hat.«
    Ullis Tante starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Ich konnte zuerst nicht einmal das. Es war, als ob ich einen Schlag vor den Kopf bekommen hätte. Mein Gehirn zitterte, meine Beine wurden lahm, und im Bauch zog sich alles zusammen.
    Sofort, in der ersten Sekunde, wußte ich, daß mein Vater recht hatte. Es war etwas Unterschwelliges, nur ein Gefühl, aber ein sehr intensives. So wie Leute mit Rheuma wissen, daß es am nächsten Tag regnet. Sie spüren es in jedem Knochen. Und so spürte ich; Ulli hatte keine Show abgezogen. Es war nicht darum gegangen, mir Angst zu machen. Er hatte Angst gehabt.
    Aber ich wollte es nicht wissen. Ich wollte nicht nachdenken müssen über Leute, die eine Haustür in Sekunden öffnen, ohne Schlüssel. Die an Türen klingeln, um festzustellen, ob jemand daheim ist. Die hinaufgehen in eine verlassene Wohnung und in Ruhe abwarten, daß jemand heimkommt. Ahnungslos die Wohnung betritt, zuerst in die Küche geht oder ins Bad.
    Und der Zuschauer weiß, da wartet der Tod. Der Zuschauer hält den Atem an, sein Herz schlägt gegen die Rippen wie ein Vorschlaghammer. Spannung, bis die Nerven zerreißen. Und dann ein Schuß oder ein Messer oder eine Schnur um die Kehle oder einen Fön in die Badewanne. Ich hatte es so oft gesehen. Und danach abgeschaltet.
    In der zweiten Sekunde fühlte ich mich wie ein Zuschauer. »Wie meinst du das?« fragte ich.
    Mein Vater zuckte mit den Achseln. »Wie schon! Du weißt genausogut wie ich, daß es ein paar Leute gibt, die ihm nicht grün waren. Die hat es immer gegeben. Ein Auto brennt nicht einfach los, wie man es im Film sieht, Krach-Bumm und dann geht alles in Flammen auf.«
    Er hätte das mit dem Film nicht sagen dürfen. Wir saßen nicht vor dem Fernseher. Wir saßen in der Küche zusammen, weil in der Nacht die Polizei zu mir gekommen war. Ich dachte an den Regen, diesen fürchterlichen Wolkenbruch, der ein kleines, ein gerade erst entstehendes Feuer hätte löschen müssen, ob es nun von Benzin oder Öl gespeist wurde oder nicht.
    Herr im Himmel, in Kuwait waren sie doch auch mit Wasser an die brennenden Ölquellen herangegangen. Ich hatte die Sondersendungen gesehen. So ein einfacher Polizist war schließlich kein Experte für Ölbrände. Was mein Vater sagte, klang genauso logisch wie das, was der Polizist mir erklärt hatte, wenn nicht ein bißchen logischer.

Kapitel 4
    Kurz darauf verabschiedeten sich meine Eltern und Ullis Tante. Ich ging mit ihnen hinunter. Draußen war alles noch naß. Es hatte den Tag über immer wieder kurz geregnet. Mein Vater hatte seinen Wagen auf Ullis Parkplatz gestellt. Es gab nur drei Stellplätze vor dem Haus, einen für jede Wohnung. Frau Ruland hatte kein Auto, das junge Paar aus dem ersten Stock hatte zwei. Wenn einer der Plätze frei war, und es kam Besuch, wurde auf dem freien Platz geparkt. Ansonsten mußte man ein Stück die Straße hinunterfahren. Bevor Ullis Tante einstieg, sagte sie:
    »Ruf mich an, wenn etwas ist, Andrea. Jederzeit, hörst du. Ich kann auch mit dem Zug oder dem Bus kommen. Notfalls sogar mit einem Taxi. Und wenn der Termin für die Beerdigung feststeht …«
    Sie brach ab, konnte nicht weitersprechen, schüttelte heftig den Kopf und wischte sich die Augen.
    »Dann sag’ ich dir Bescheid«, versprach ich. Sie nickte und begann in ihrer Handtasche nach einem Tuch zu kramen. Meine Mutter stieg ebenfalls ein und fragte mich:
    »Hast du was Schwarzes zum Anziehen?«
    Als sie weitersprach, hätte ich beinahe geschrien.
    »Wenn nicht, du mußt dir nicht extra was kaufen. Ich habe noch das Kostüm, das ich bei deiner Kommunion getragen habe. Es war teuer damals, so was schmeißt man nicht weg. Mir ist es inzwischen zu eng, aber dir wird es passen.«
    Es waren diese Sätze, die alles vorübergehend wieder ins Lot rückten. Das war die Wirklichkeit. Ein Mensch ist gestorben, man braucht

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