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Verbrannte Träume.

Verbrannte Träume.

Titel: Verbrannte Träume. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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jederzeit mit der Nase darauf stoßen konnte. Ich ging ins Schlafzimmer, nahm dort alles auseinander. Um fünf Uhr konnte ich nicht mehr. Das Schlafzimmer sah aus, als hätten die Räuber darin gehaust. Alles aus den Schränken und Kommoden geräumt, den Inhalt jedes Schubfachs auf den Boden gekippt. Zum Aufräumen hatte ich keine Lust mehr. Ich ging noch kurz ins Bad, wollte nur auf die Toilette, nahm aber auch noch den Deckel vom Spülkasten ab. Im Kasten war Wasser. Und sonst war im Bad nichts. Da hatte ich samstags doch schon alles auf den Kopf gestellt, ebenso im Abstellraum. Ich legte mich ins Bett. Es lohnte sich kaum noch für die Stunde. Als der Wecker ablief, dachte ich, ich hätte nicht geschlafen. Auf das Frühstück verzichtete ich, nahm statt dessen das Geld aus dem Eisschrank, steckte es zurück in den Umschlag und den Umschlag in eine Plastiktüte. Die nahm ich mit, als ich die Wohnung verließ. Der Mittwoch war ein Alptraum. Wenn ich daran denke, wird mir immer noch übel, und ich habe das Gefühl, ich hätte ein Messer im Rücken. Es war wie Dienstag, zuerst alles normal. Um halb neun war ich in der Kanzlei, deponierte den Umschlag in meinen Schreibtisch. Ich sah scheußlich aus. Dunkle Ränder unter den Augen, ein abgebrochener Fingernagel und ein paar andere, auf denen der frische Lack völlig verschmiert war. Doktor Farngräber bemerkte, daß etwas nicht in Ordnung war. Er fragte mich nicht, schaute mich nur ein paarmal voller Mitleid an. Im Laufe des Vormittags rief sein Schwiegersohn an. Das Ergebnis der Obduktion lag vor. Ein zertrümmerter Schädel als Todesursache. Rauch in den Lungen und eine Zahnbrücke, die mir plötzlich so normal erschien. Am Nachmittag erfuhren wir, was der KFZ-Sachverständige herausgefunden hatte. Nichts! Für die Polizei und die Staatsanwaltschaft war die Sache damit erledigt. Fremdverschulden ausgeschlossen. Ein Verkehrsunfall ohne Beteiligung Dritter. Ich wußte es besser, aber ich konnte mit niemandem darüber reden. Jetzt nicht mehr. Ich konnte doch nicht sagen:
    »Mein Mann war ein Dealer. Er hat versucht, seine Bosse zu betrügen. Sie sind ihm auf die Schliche gekommen und haben ihn umgebracht oder umbringen lassen.«
    Das konnte ich nicht einmal Ullis Tante sagen. Mit Doktor Farngräber hätte ich reden können, als Anwalt bekam er viel von den Leuten zu hören. Aber so eine Sache … Bei der man vor Scham im Boden versinken möchte. Bei der man sich so dreckig und eklig fühlt, daß man sich vor die Füße spucken möchte. Eine Bluse am Leib für hundertfünfzig Mark. Ich war stolz gewesen, als ich sie mir gekauft hatte, daß ich mir so etwas leisten konnte. Keine Sekunde lang war mir der Gedanke gekommen, daß für meine Bluse ein Mädchen wie das aus der Damentoilette seine mageren, zittrigen Beine breit gemacht hatte. Ich sprach mit Doktor Farngräber nur über die Beerdigung. Er wollte sich darum kümmern, mir die Formalitäten abnehmen. Ich hätte es auch nicht gekonnt. Kurz vor fünf verließ ich die Kanzlei, nahm die Straßenbahn, fuhr zum Hauptbahnhof. Daß ich Rene Link um ein Treffen gebeten und ihm eine Uhrzeit genannt hatte, hatte ich vergessen. Er war ja nicht darauf eingegangen. Es war ein ziemliches Gedränge unten auf dem Bahnsteig, wie immer um die Zeit. Ich stieg aus, zwängte mich durch die Leute, die einsteigen wollten. Die Bahn fuhr ab. Ich meinte, es hätte jemand nach mir gerufen.
    »Andrea!«
    Es waren immer noch viele Leute auf dem Bahnsteig. Ich schaute mich um, aber keiner beachtete mich. Ich wollte nach oben zur S-Bahn, als mich plötzlich jemand von hinten am Arm packte. Es ging rasend schnell. Er drehte mir den Arm nach hinten. Im selben Moment fühlte ich den Atem im Nacken und hörte das Zischen. Die Stimme konnte ich nicht erkennen.
    »Nicht umdrehen.«
    Ich versuchte es trotzdem. Es war ein Reflex. Und kaum hatte ich den Kopf bewegt, griff mir eine Hand ans Kinn und drückte mir das Gesicht wieder nach vorne. Ich hatte ein bißchen von ihm gesehen. Nur den Arm, er trug einen schäbigen Parka, fleckig und speckig. Ich dachte, das Ding müßte stinken. Aber das tat es nicht. Er schob mich zur Seite, auf die Wand zu, mitten durch eine Gruppe von Leuten. Und kein einziger kümmerte sich um uns.
    »Herr Link?«
    fragte ich. Ich bekam keine Antwort. Es konnte nur Rene Link sein. Der kannte mich nicht, hatte meinen Namen rufen müssen. Und sehen, ob eine der Frauen auf dem Bahnsteig reagierte. Mein Kinn hatte er wieder losgelassen,

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