Verbrechen ist Vertrauenssache
den Korridor entlang, wo Liss langsam rückwärts ging und dabei den Revolver schwenkte, den er wohl dem vermissten Streifenpolizisten abgenommen hatte. Er war noch immer in Uniform, doch was ihn jetzt schützte, war Ralph Quindero, den er als menschlichen Kugelfang mit dem linken Arm um die Taille gefasst hatte. Quindero starrte hilflos all die hilflosen Bewaffneten an, während er und Liss zu der Tür zurückwichen, die am Ende des Korridors zum Treppenhaus führte.
Liss, der alles im Auge behielt, sah plötzlich Parker und lachte überrascht auf. »Du auch noch!« rief er und schoss auf Parkers Kopf.
SECHS
Thorsens Sprung warf Parker und ihn selbst durch die Türöffnung in den Aufenthaltsraum, wo sie zu Boden fielen, während die Kugel in den Türrahmen hinter ihnen schlug. Als sie sich aufrappelten, hörten sie aus dem Korridor Rufe und einige Schüsse, dann Stille.
Die Uniformierten im Korridor stürmten voran, was bedeutete, dass Liss es ins Treppenhaus geschafft hatte. Aber wie weit würde er kommen?
Parker stand auf, drehte sich um und streckte die Hand aus, um Thorsen aufzuhelfen. »Ich schulde Ihnen was«, sagte er.
Thorsen wirkte etwas mitgenommen, doch dann straffte er sich in den Schultern, und es war ihm nichts mehr anzumerken. »Das war Liss, oder?« sagte er.
»Allerdings.«
»Sieht so aus, als wüsste er, dass Sie ihm auf den Fersen sind.«
»Sieht so aus.«
»Und das mag er nicht.«
»Das hab ich auch nicht angenommen«, sagte Parker und ging zur Tür.
Thorsen rührte sich nicht. »Soll die Polizei ihn doch verfolgen. Dauert bestimmt nicht länger als fünf Minuten.«
»Carmody«, sagte Parker über die Schulter und ging durch den jetzt verlassenen Korridor. Große Augen in entsetztenGesichtern blickten um die schützende Ecke des Eingangs zum Schwesternzimmer.
Carmodys Zimmer war auf der anderen Seite, kurz vor dem Schwesternzimmer. Parker öffnete die Tür und sah in das Zimmer: Es war ein Chaos. Carmody hatte einen Kopfschuss – er lag auf dem Rücken im Bett und starrte aus drei Augen an die Decke. Den beiden Polizisten, die ebenfalls im Raum gewesen waren, hauptsächlich, um auf Quindero aufzupassen, hatte Liss wahllos ein paar Kugeln verpasst, um sie außer Gefecht zu setzen. Sie lebten, lagen aber wie weggeworfene Puppen auf dem Boden und wurden von Schwestern versorgt.
Für Liss war Carmody – abgesehen von Parker, Ed und Brenda – der einzige, der ihn eindeutig als Beteiligten identifizieren konnte. Dass Carmody bereits vor der Polizei ausgesagt hatte, spielte keine Rolle, solange er seine Aussage nicht später wiederholte. Liss konnte sich einen Anwalt leisten, der all diesen Quatsch beiseite fegen würde, vorausgesetzt, es war kein lebender Tom Carmody da, der vor Gericht aussagte, auf Liss zeigte und sagte: »Das da ist er.«
Jetzt, im Krankenhaus, verließ Liss sich hauptsächlich darauf, dass zuviel Verwirrung herrschte und ihn niemand genau gesehen hatte. Er war ein Mann in Polizistenuniform, der schnell war und auf Leute schoss, der auftauchte und wieder verschwand. Vielleicht würden ein paar Zeugen behaupten, ihn wiederzuerkennen, aber auch das würde für ein Urteil nicht reichen. Nicht, wenn er unerkannt entkommen, seinen Anwalt entsprechend instruieren und sich ein Alibi in San Diego oder einem der Portlands besorgen konnte.
»Notarzt! Notarzt!«
Parker trat zurück, und weißbekittelte Leute eilten vorbei und schoben zwei Rollbahren in das Zimmer. Eilig, aber vorsichtiglegten sie die verwundeten Polizisten darauf – fragile Wesen, die jeden Augenblick zerbrechen konnten.
Parker sah den Korridor entlang. Einige Polizisten waren Liss ins Treppenhaus gefolgt, während andere auf der Etage geblieben waren und in Funkgeräte brüllten. Einige kamen ihm entgegen und verschwanden im Aufzug. Würden sie hinauf- oder hinunterfahren? Liss würde nicht so leicht zu fassen sein, wie diese Leute glaubten.
Auch Thorsen hatte einen Blick in Carmodys Zimmer geworfen. Jetzt kam er zu Parker und sagte: »Tja, mit Ihren Fragen, das wird wohl nichts mehr.«
»Hier gibt’s für mich nichts zu holen«, stimmte Parker ihm zu. Er dachte, dass auch bei Thorsen für ihn nichts mehr zu holen war. Er musste ihn loswerden – ihn vielleicht aus dem Verkehr ziehen und sich seine kleine Automatik leihen –, und dann musste er Mackey und Brenda finden. Liss zog im Augenblick zuviel Aufmerksamkeit auf sich, und Parker hatte kein Bedürfnis, sich in seiner Nähe
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