Verbrecher und Versager.
falls sie jemals gelandet sind, diese Feuerländer und Eskimos, die Nubier und Singhalesen, diese Fakire mit scharf geschnittenen Rippen, die auf der Schiffsreise zwischen den Tigern schliefen und zusammen mit ihnen seekrank wurden. Die einen schwitzten, die anderen froren, andere gingen sofort verloren, weil sie ungeimpft an den Pocken starben, bevor sie den Zoo von innen sahen.
Ich war nicht dabei, aber ich träume davon, endlich mit von der Partie zu sein, obwohl wir nicht über den Onkel sprechen, auch in Büchern ist er nicht wirklich zu finden, und die Bücher, die noch zu finden sind, sind mürbe und zerfallen beim Lesen. Genau wie das Bild des Onkels, der Schnurrbart, sein Tiger, der Helm, das Gewehr, der Fuß auf dem Fell des erlegten Löwen, der letzte Zahn eines Krokodils und der Eskimo, der keine Freude hatte an der anderen, schöneren, besseren Welt, die sich immer nur dreht wie ein Karussell, immer zu langsam und immer zu schnell, nur Schwung und Umdrehung. Geblieben ist nichts als ein Eisbärenfell, ein Nagelbrett und ein trübes Geheimnis.
Ein verprellter Bräutigam auf der Flucht, das sieht man doch gleich, sagt meine Mutter, wir sind hier Zuhause, nicht auf der Safari. Aber statt das Bild einfach wegzuwerfen, legt sie es in die Küchenschublade, gleich neben die Messer. Als könnten wir dann zu sprechen aufhören, bis unser Schweigen uns hartnäckig sagt, dass der Onkel immer noch zwischen uns steht. Als entlobter Bräutigam meiner Mutter, Spion meines Vaters in Übersee, für meine Schwester ein Händler in Perlen, der das Beste vom Boden des Meeres holt, denn sie weiß nicht, woher die Reichtümer kommen, während mein Bruder an Makler und Schmuggler glaubt, an kleine Verbrechen in großem Stil und an den großen Stil des kleinen Verbrechers. Für mich bleibt der König der Tiere, der Arenenbeherrscher, mein erster Dompteur, mit nichts als einem Rohrstock im Rücken, mit dem er die große Gefahr dirigiert.
Und der Löwe kniet hin und legt sich nieder, dann erhebt er sich wieder und springt auf den Hocker, reißt das Maul weit auf und wartet und gähnt. Woher der Befehl kommt, bleibt ein Geheimnis, er springt durch den Reifen zurück auf den Hocker, gähnt wieder und zeigt dabei alle Zähne, bis das Maul vom Gähnen weit offen steht, damit der Kopf des Onkels dort Platz finden kann. Und der Onkel legt seinen Kopf hinein, ich schließe die Augen, ich zähle bis drei, meine Hände sind nass, denn ich weiß, der Löwe ist immer noch da, auch der Kopf ist noch da. Nur der Befehl bleibt sein Geheimnis, und wenn ich wieder die Augen öffne, sehe ich, wie der Onkel lacht, weil sein Kopf noch so fest auf den Schultern sitzt. Also warum muss ich die Augen schließen? Selbst wenn ich mich nur noch erinnern muss, denn seit Jahren war ich nicht mehr im Zirkus, schließe ich meine Augen so fest, als wollte ich nichts noch einmal erleben.
Das also ist der Mann unserer Träume? Ein Mann, der nichts als die Arena beherrscht, der genießt, wie alle den Atem anhalten, der weiß, wann es still wird, und der, wenn es still wird, langsam die Mitte des Kreises betritt? Befremdlich langsam und schnell zugleich, ahnungslos und allwissend, so gut wie schon tot und noch immer lebendig, elegant und zum Fürchten lächerlich, wenn er sich bis auf die Erde verneigt. Ein Mann, der niemals Angst haben muss, denn er macht sich die Erde Untertan, weil er glaubt, dass er weiß, wie man Schlangen beschwört.
Im Zirkus bin ich nur heimlich gewesen, denn der Zirkus ist meiner Mutter verhasst, und mit dem Zirkus der ganze Rest. Sie verabscheut die maßlose Übertreibung, dieses grausame Spiel mit der Unwirklichkeit, genau wie den Jahrmarkt, den Zoo und die Filme, das Kino als Welt und die Welt als Theater, wo man im Schutz der Dunkelheit Märchen auftischt und Jungfrauen zersägt, während wir warm und in Reihen sitzen, einer an den anderen geschmiegt, und glauben, wir sehen, was wirklich geschieht. Meine Mutter ist niemals im Kino gewesen, auch ins Kino gehen wir immer nur heimlich, genau wie in den Zirkus und Zoo. Vorbei, sagt meine Mutter entschieden, lächerlich dieses letzte Jahrhundert, diese Affen, die versuchen, wie Menschen zu sein und die Menschen, die anfangen, Affen zu werden und sich mit Nüssen und Popcorn bewerfen. Und andere, die sich zu Krüppeln machen, die Reste blutleerer Beinen schwenken und sich tief in die Erde eingraben lassen, um drei Wochen später aufzuerstehen, als wäre überhaupt nichts geschehen.
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