Verbrecher und Versager.
Wasserköpfe, die Feuer spucken, in Wirklichkeit nichts als Totenschädel, aus überseeischen Höhlen gestohlen, und das Publikum kann sich nicht halten vor Staunen, als hätte es diesen Trick nicht begriffen, nämlich wie man einfach die Luft anhält, drei Wochen lang auf dem Boden des Meeres, alles nur eine Frage des Willens.
Köpfe zu Perlen und Stroh zu Gold! Wer Tiere beherrscht, will auch Menschen beherrschen, aber man verdient sein Geld nicht mit Schweiß von Tieren und erst recht nicht mit der Dummheit von Menschen. Denn auch der Reichtum empört meine Mutter, wie gewonnen, so zerronnen, weshalb sie auch dieser Onkel empört, dessen Vater ein Hamburger Fischhändler war, heute ein ganzes Imperium, aber einmal Fischhändler, immer Fischhändler! Wisst ihr denn nicht, was ein Fischhändler ist? Der Geruch sitzt tief in den Poren und ist nicht mehr aus dem Haus zu bringen. Und wenn man sich auf ein Schiff setzt und flieht? Dann beginnt es wieder nach Fischen zu riechen, das ganze Meer ist ja voller Fische, Fische morgens und mittags und abends, die Armut in Schuppen, auch wenn der Fang gelegentlich Geld abwirft, Umsätze, von denen mein Vater nur träumt, wenn er jeden Tag wieder zur Arbeit geht, in ein Büro, das ich nie gesehen habe, von dem, was er tut, ganz zu schweigen.
Ich weiß nur, dass es dort warm ist und dunkel, genau wie im Kino, nur etwas kleiner. Ein Tisch, ein Stuhl und ein großes Regal, in dem hinter aufrecht stehenden Akten ganze Stapel von Büchern liegen, sämtliche Bücher von Onkel John, einen Fuß auf dem Tiger, ein Auge im Nichts, gleich neben den Messern in der Küchenschublade. Und daneben die Bücher von anderen Männern, die niemals wirklich auf Reisen waren, denn sie haben sich alles selbst ausgedacht. Meinen Vater und mich, Winnetou, Ölprinz, Old Shatterhand, Karl May und andere mutige Männer, Tecumseh, Cody und Buffalo Bill. Und obwohl mein Vater darüber nicht spricht, ist er immer mit von der Partie, von morgens um neun bis abends um fünf, bevor er wieder bei uns am Tisch sitzt, im Rücken den Rohrstock, mit dem man die größte Gefahr dirigiert, an günstigen Tagen sogar meine Mutter.
Denn bis heute weiß meine Mutter nicht wirklich, wie mein Vater seine Zeit verbringt, nämlich reitend, kämpfend und Tiger jagend, und dass er an großen Feuern sitzt, neben anderen Männern, die Lieder singen und das Fleisch mit den bloßen Händen essen, die Messer stecken in Stiefeln. Meine Mutter verkennt die Gefahr der Bücher, sie glaubt, dass Papier nicht brennen kann, gedruckt hält sie die Ge- fahr für gebändigt, weil sie sich auf den Zoo konzentriert, auf den Zirkus, das Kino, die größte Gefahr, die sie mit allen Mitteln bekämpft. Die große Gefahr ist aber woanders, sie müsste nur diese Tasche öffnen, in der sich zum Schein ein paar der Akten befinden und zwischen den Deckeln der Akten Federn, lauter Bündel von bunten Federn, nur den Schrumpfkopf hat mein Vater woanders versteckt, auch ich weiß nicht, wo.
Und zwischen den Federn gelegentlich Schuppen, denn Fisch wird bei uns nur heimlich gegessen, und auf dem Grund der Tasche liegen die Perlen. Ein großes Verbrechen in kleinem Stil, niemand weiß, woher diese Perlen kommen. Nur mein Vater kennt diesen Trick ganz genau, nämlich wie man sehr lange die Luft anhält. Das hat er sein ganzes Leben geübt, alles nur eine Frage des Willens, abtauchen und im Trüben fischen, um am Ende mit einem Schatz aufzutauchen, weil er noch immer an Reichtümer glaubt. Zwischen morgens um neun und abends um fünf.
Nur der Geruch lässt sich nicht verleugnen, die Tasche riecht noch immer nach Fisch. Meine Mutter tut so, als wäre da nichts, sie würde die Tasche niemals öffnen, weil sie das trübe Geheimnis fürchtet, sie öffnet nur hin und wieder ein Fenster. Denn wir sprechen hier nicht über Onkel John, der vor seiner Zeit die Schule verließ, weil die Schule ein falsches Versprechen ist, genau wie die Bücher. Von Büchern hielt Onkel John überhaupt nichts, die Bücher interessierten ihn nicht, weil um ihn herum genug Wirklichkeit war. Eine unumstößliche große Familie, Väter und Mütter, Schwestern und Brüder, Tanten und Onkel, Neffen und Nichten, Händler, Spediteure und Schmuggler, Kapitäne, Spione und Präparatoren, Dompteure vom Zirkus und Zoodirektoren. Ausrichter riesiger Völkerschauen, eine Firma gestopft mit Menschen und Tieren, in der man weiß, wie man bietet und kämpft, wie man schlägt und sticht und am Ende
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