Verbrecher und Versager.
verbringen, von morgens um neun bis abends um fünf die Leiber toter Tiere zu stopfen? Kennst du den Urwald mit seinen vielen Gefahren? Wo Löwen und Tiger noch bissig sind und Schlangen noch ihre Zungen zeigen? Wo man aufhört, der kleine Bruder zu sein und über Nacht anfängt, ein Jäger zu werden, auf Augenhöhe mit jedem Tier, nur einer von beiden kann gewinnen, das große Rhinozeros oder ich! Wer zögert, verliert, ein falscher Lidschlag, schon packt dich die Schlange, denn der Urwald ist kein Museum, kein Stummfilm, sondern die andere wirkliche Welt.
Die Tropen! Der ganze Busch tobt nachts von Geräuschen, ein einziges Raunen, Schnaufen und Stöhnen, ein Jammern und Schnalzen und Zirpen und Pfeifen, ein Brüllen und Laufen, das Knacken der Zweige, ein langes heißes und finsteres Atmen. Jeder Strauch, jeder Zweig, alles ist in Bewegung, jeder Baum könnte plötzlich zu laufen beginnen und verwandelt sich Schritt für Schritt in ein Tier, das du niemals zuvor gesehen hast, von dem du noch gar nicht ahnst, dass es da ist. Der Gott der Wildnis in Pelze gewickelt, mit Zähnen bewaffnet, mit Hörnern bewehrt, der seine Schöpfung vor Jägern beschützt und selber der größte Jäger ist. Hier hausen die Seehunde nicht in Tonnen, keines der Tiere hört hier auf Namen, kein Löwe, der hier durch Reifen steigt. Hier regieren auch nicht mehr die Onkel und Tanten, hier regierst nur du selbst, hier regiert deine Kraft, weil nur der, der den stärkeren Willen hat, wirklich ein Anrecht auf Dasein hat.
Das wissen auch die kleineren Tiere, die säuselnd und flüsternd das Zelt einkreisen, die einen kriechend, die anderen fliegend, die dritten rühren sich gar nicht vom Fleck. Denn sie kennen diese Gesetze genau, und wehe dem, der die Gesetze verletzt, denn das Feuer gehört dem Menschen allein, Onkel John, und ein paar anderen Männern, die lachend und trinkend am Feuerplatz sitzen, abends nach fünf, wenn es dunkel wird. Sie essen das Fleisch mit den bloßen Händen und denken nicht daran, Bücher zu lesen.
Denn was sind die Bücher gegen die Welt und gegen die Nacht unter freiem Himmel, der uns weiter entfernte Sterne zeigt, sobald wir den Kopf in den Nacken legen. Jeder Stern ist ein eigener Urwald mit eigenen Tieren und frischen Gefahren, von denen nicht einmal mein Vater weiß, von meiner Mutter ganz zu schweigen, die die Sterne für eine Erfindung hält, Dekoration für den Zirkus, das sieht man doch gleich.
Aber eines Tages, das weiß ich genau, wird mein Vater nicht mehr nach Hause kommen. Dann wird er in einem der Bücher des Onkels endlich die Stelle gefunden haben, wo steht, wie satt er das Tierstopfen hat, wie satt er es hat, eine Nummer zu sein, und wie satt er das ganze Europa hat, wo ein Mann kein Mann ist, sondern nur ein Verwalter, ein Knecht von Brüdern, Befehlsempfänger, der Regale und Akten abstauben muss, weshalb der Onkel ein Schiff besteigt und beschließt, für immer nach Ceylon zu gehen.
Aber wir sind noch lange nicht da. Onkel John ist ein Junge von fünfzehn Jahren, Handlanger seines älteren Bruders, der ihn auf andere Reisen schickt, nach Italien, nach Spanien, an die Donau, nach Russland. Er soll Tiere von Schiffen auf Züge verladen, eine lange und traurige Karawane, seekranke Elefanten und Tiger, verstörte Strauße, verwirrte Affen. Der ganze Hafen tobt nachts von Geräuschen, ein einziges Keuchen, Heulen und Stöhnen, heftiges Schlagen, Kratzen und Beißen, ein ohrenbetäubender Heimwehchor, bis sich die Tiere schließlich ergeben, denn die Seekrankheit hat sie zahm gemacht.
Bis auf den flüchtigen Panther, der sich noch immer nicht aufgeben will und in der Dunkelheit zu entkommen versucht. Wer fürchtet sich mehr? Der Panther in seiner fremden Freiheit, oder der Junge, der plötzlich ein Jäger wird? Ich sehe sie laufen, panische Männer, alle mit Käfigen über dem Kopf, weil sie die Angst des Panthers fürchten, der den Betrug längst gerochen hat zwischen einer Bahnstation und der nächsten. Hier läuft der Panther und da Onkel John, mein erster Dompteur und Arenenbeherrscher, den Rohrstock im Rücken und den Käfig über den Körper gestülpt, ein lachhafter Panzer. Aber selbst wenn ich jetzt die Augen schließe, ist der Onkel immer noch da, der Onkel, der Käfig und endlich der Panther, der im Lagerhaus in der Ecke kauert und darauf wartet, dass sich sein Schicksal erfüllt. Diese Geschichte liebt Onkel John, denn der Lehrling ist endlich Geselle geworden, und wenn ich noch
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