Verdacht auf Mord
saß entspannt auf ihrem Stuhl. War nicht im Geringsten schockiert. Fast nichts konnte sie schockieren. Sie staunte höchstens. Wie ein Kind, das sich darüber wundert, wie bunt die Welt doch sein kann.
»Vollkommen bizarr und faszinierend!«, rief sie.
»Ach wirklich?« Ihr Chef runzelte die Stirn. Er war eher verärgert. Und sehr müde. Aber er würde sich nie so weit herablassen, das auch zu zeigen.
»Was hat sein voriger Chef eigentlich gesagt?«, wollte er dann wissen, um sich wieder den Fakten zu nähern.
Sie dachte nach. Als die Vorstellungsgespräche stattgefunden hatten, war gerade viel zu tun gewesen. Sie hatte viel um die Ohren gehabt und war gehetzt in der Klinik herumgerannt. Was genau gesagt worden war, hatte sie daher nicht mehr im Kopf. Nur so ein diffuses Gefühl. Und das war nicht rundum erfreulich gewesen, das musste sie trotz allem zugeben.
»Ich glaube, er hat nicht so viel gesagt«, erwiderte sie daher wahrheitsgemäß.
Dieser Umstand hätte sie schon aufmerken lassen müssen, das sah sie jetzt ein.
»Er hat ihn nicht unbedingt über den grünen Klee gelobt, um es einmal so auszudrücken«, verdeutlichte sie. »Aber er hat auch keine direkten Warnungen ausgesprochen.«
»Und zwischen den Zeilen?«
Spannung lag in der Luft. Ihr Chef war ganz gegen seine Art verärgert, aber nicht über Regina Hertz. Aber das konnte sie nicht wissen. Sie überlegte, ob sie zu Kreuze kriechen sollte.
Aber nein!
Stattdessen wurde auch sie wütend.
»An seinen Unterlagen wäre schließlich nichts weiter auszusetzen. Wenn sie nicht gefälscht wären, versteht sich. Und mit so etwas rechnet man ja wirklich nicht. Schließlich wird bei einer Halbjahresvertretung nicht jede Kleinigkeit kontrolliert!«
Sein Gesicht gefror einen Augenblick zu Eis. So hatte sie ihn noch nie erlebt. Er war außer sich.
Der Ruf der Klinik natürlich. Das konnte sie sehr gut verstehen. Mühsam, durch die Presse geschleift zu werden, insbesondere, da alles Übrige ausgezeichnet funktionierte.
Unbehagen befiel sie. Würde er ihr die Schuld in die Schuhe schieben?
»Außerdem hast du das Vorstellungsgespräch mit ihm geführt«, meinte sie deswegen säuerlich.
Er kniff die Lippen zusammen. Schweißperlen traten ihm auf die Stirn. Sein Adamsapfel wanderte an seinem sehnigen Hals rauf und runter. Sein ehemaliger Chef hatte nicht viel gesagt. Allein deswegen hätten in ihrem armseligen Kopf schon die Alarmlampen blinken müssen. Aber klar, es war keineswegs nur ihre Schuld, er wollte sich da nicht rausreden. Aber er war diese halben Sachen gründlich leid.
Musste er wirklich alles selbst machen?
Sie hätte es besser wissen müssen!
Er holte tief Luft.
»Wir waren zu dritt«, sagte er.
»Gut. Umso schlimmer. Drei Paar Augen hätten mehr sehen müssen als ein Paar.«
Sie zog ihre gezupften dunklen Brauen hoch und lächelte schwach. Er schwitzte. Ein Kittel über Hemd und Schlips war warm.
»Aber selbst die Sonne hat ihre Flecken«, meinte sie großzügig und feuerte ein entwaffnendes Lächeln auf ihn ab, in der Hoffnung, dass er sich ein wenig entspannte.
»Was tun wir jetzt?«
»Die Personalabteilung soll sich die Papiere noch einmal ansehen. Trifft unsere Vermutung zu, dass sie gefälscht sind, dann zeigen wir das bei der Polizei an. In diesem Fall müssen wir auch das Ministerium verständigen. Vielleicht wissen die noch von anderen Krankenhäusern, an denen er gearbeitet hat. Aber solange das nicht geklärt ist, unternehmen wir nichts. Schließlich ist niemand durch ihn zu Schaden gekommen.«
Nein, dachte sie. Er hat tunlichst jeden Handgriff vermieden. Ein so arbeitsscheuer Kollege war wirklich nicht zu gebrauchen. Es reichte schon, dass alle anderen müde und abgespannt waren.
Eine höchst unpassende Ausgelassenheit ergriff plötzlich von ihr Besitz. Sie schüttelte den Kopf, und ihr kraftloses Haar geriet in Bewegung.
»Eigentlich ein dolles Ding! Das Sydsvenska Dagbladet wird sich darum reißen! Ich sehe die Schlagzeile schon vor mir: ›Falscher Arzt in Frauenklinik«, zwitscherte sie.
Er starrte sie finster an. Seine Nasenlöcher weiteten sich. Nicht der geringste Anflug eines Lächelns war zu sehen.
Sie begab sich nach Hause.
Hoffentlich steht das Essen auf dem Tisch, dachte sie.
Claesson saß an der Schmalseite des großen Schreibtisches, Kerstin Malm hatte auf ihrem Bürosessel Platz genommen und Peter Berg an dem kleinen runden Tisch. Die Neonröhren an der Decke des Büros der Direktorin brannten, und es
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