Verdacht auf Mord
Schule mit dieser Tasche blicken zu lassen. Aber die neuen aus Nylon waren nicht so praktisch, denn Papiere und Ordner wurden darin nur geknickt.
Als er seine grünen Regenhosen übergezogen und in der Taille zusammengezogen hatte, klingelte das Telefon. Die Spurensicherung aus Malmö, die eine Mitteilung vom staatlichen kriminaltechnischen Labor in Linköping erhalten hatte.
»In den Strafsachen Jan Bodén und Emmy Höglund wurde an beiden Tatorten dieselbe DNA gefunden.«
Jensen überlegte, ob das bedeutete, dass er seine Regenhose ausziehen und bleiben musste.
»Also sowohl im Putzmittelraum des Blocks als auch in Emmy Höglunds Wohnung«, verdeutlichte der Kriminaltechniker.
»Mit anderen Worten: derselbe Täter«, erwiderte Jensen.
»Denkbar«, meinte der Kriminaltechniker.
Er zog die Hosen also doch wieder aus. Vielleicht hört es in der Zwischenzeit auf zu regnen, dachte er und machte sich auf den Weg zum Büro des Ermittlungsleiters, erwartete aber nicht, dass Mårtensson noch da war. Er hatte sich getäuscht.
»Nicht schlecht!«, donnerte Lars-Åke und hieb ihm auf die Schulter wie einem kleinen Jungen. »Was glaubst du?«
»Nichts«, erwiderte Gillis ungerührt.
Vom Glauben hielt er gar nichts.
»Ein Durchbruch«, donnerte Mårtensson weiter.
Dem war wohl so.
Und Arbeit brachte es auch mit sich. Sie mussten die Berührungspunkte finden. Zwei vollkommen unterschiedliche Opfer und eine Menge junger Menschen, in die er sich aufgrund seines Alters nicht sonderlich gut hineinversetzen konnte. Ein unendliches Gewirr aus Freundschaften und Affären. Gelegentlich sowohl als auch. Wie bei einem verhedderten Wollknäuel.
Was war eigentlich Sache?
Als er wieder allein war, rief er Kriminalkommissar Claes Claesson in Oskarshamn auf seinem Handy an. Der Regen war inzwischen in ein leichtes Nieseln übergegangen. Wenn er noch eine Weile wartete, hörte es vielleicht ganz auf.
Am anderen Ende klingelte es. Claesson antwortete erst, als er fast schon wieder auflegen wollte.
Er musste einfach mit einem vernünftigen Menschen sprechen, nachdem es ihm nun gelungen war, den übereifrigen und heißblütigen Mårtensson endlich abzuwimmeln, der sich aufgeführt hatte, als stünde die ganze Welt in Flammen. Seine Art war manchmal recht anstrengend. Er hätte einen Feuerlöscher gebraucht.
Jetzt wandte er sich stattdessen an Claesson.
Vielleicht sollte man sich bald mal sehen, dachte er, während er die Ergebnisse des staatlichen kriminaltechnischen Labors referierte.
Der Junge
D as Haus ist leer. Der Herbst ist in Winter übergegangen. Der zweite Advent nähert sich. Filippa hat erstaunlicherweise irgendwo einen Adventskerzenständer aufgetrieben. Das kann sie, sie kommt mit dem Leben zurecht. Filippa ist nicht hart. Sie ist ein Engel. Trotz allem.
Sterne funkeln in den Fenstern, in allen Gärten leuchten Lichterketten, Weihnachtsglück in jedem Haus. Ich habe das Gefühl, daran zu ersticken. Aber es ist auch schön.
Über Weihnachten fahren wir vielleicht zu Mama. Sie macht Pläne, aber wir wissen schon, wie das meist endet. Filippa und ich. Vater überlegt es sich plötzlich anders. Kommt im letzten Moment nach Hause und überwacht uns. Kümmert sich unversehens von zu Hause aus um die Geschäfte. Er arbeitet schon lange nicht mehr als Arzt. Er will richtig Geld verdienen. Alles hochwichtig, und er ist der Beste. Er kann die Leute wirklich um den Finger wickeln. Seine Vorträge sind Spitze. Er schwafelt herum, wie sich der Krankenpflegesektor am besten organisieren lässt. Wie Leute besser und härter arbeiten und trotzdem harmonisch und glücklich bleiben. Irgendwas in der Art. Er hat Forschungen betrieben und weiß, wie alles in der Welt aussieht. Er kann jeden unter den Tisch reden, so viel ist sicher. Er leuchtet am Rednerpult wie die Sonne im Hochsommer. Widerlich tüchtig. Etwas anderes lässt sich über ihn nicht sagen. Meinen Papa.
Aber über sich selbst weiß er nicht so viel. Und er weiß auch nicht viel über mich und Filippa. Vielleicht weiß er etwas mehr über Filippa, weil sie immer redet. Ich bin verschlossen. Das verunsichert ihn.
Aber was Weihnachten wird, hängt auch von meinen Verhandlungen mit Papa ab. Falls ich überhaupt fahren will. Filippa will schon. Sie sehnt sich vermutlich nach Mama. Ich würde also Filippas wegen fahren. Ich bliebe lieber zu Hause, auch wenn das recht einsam werden kann. Schließlich muss ich auf alles Mögliche ein Auge haben.
Wenn ich nicht jede Nacht
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