Verdacht auf Mord
gebracht hat. Man weiß schließlich nie. Es gibt viele, die, aus welchen Gründen auch immer, aus ihrer Begabung nichts machen.«
Dass sie Karriere gemacht hatte, sagte allerdings nichts darüber aus, wie glücklich sie war. Kerstin Malm fingerte an einer Brosche, einer Katze aus Messing, die ihren Schwanz um sich herumgelegt hatte, und dachte nach.
»Gibt es auf dem Foto irgendeine weitere Person, an die Sie sich aus irgendwelchen Gründen besonders erinnern?«
Peter Berg schob das Klassenfoto wieder zu ihr hinüber.
»Ja, einer der Jungen war irgendwie auch in die Sache verwickelt. Das müsste also gewesen sein, bevor sie die Klasse wechselte. Er muss also auf diesem Foto sein.«
Die Oberärztin der Frauenklinik, Regina Hertz, hatte sich immer sagen lassen, sie sei eine besonnene Frau. Sie bekam nur selten Angst. Dafür ärgerte sie sich oft über die Trägheit der anderen, nicht über ihre Dummheit. Für Dummheit konnte niemand etwas. Sie hatte viele Pläne für die Klinik, alle waren vernünftig. Man sollte sich rascher und kostengünstiger um die Patienten kümmern, das war natürlich wichtig. Irgendjemand musste es übernehmen, für Veränderungen zu sorgen. Sie konnte es einfach nicht bleiben lassen. Und da sie zupackend und realistisch war, hatten einige ihrer Pläne das Ideenstadium verlassen und waren umgesetzt worden, und das war allerhand. Die konservativen Kräfte, die den alten Strukturen und nicht zuletzt der Angst entsprangen, waren unerschöpflich.
Aber ist man im Begriff, einen riesigen Tanker zu wenden, so gerät leicht einmal weniger Wichtiges in Seenot. Insbesondere da sich Regina Hertz während dieses ganzen umwälzenden Prozesses mit derselben unermüdlichen Energie wie früher um die Krebspatienten gekümmert hatte. Schließlich hatte der Tag nach wie vor nur vierundzwanzig Stunden, eine Tatsache, die sie manchmal von sich schob.
Jetzt saß sie im Zimmer des Klinikchefs. Vor dem Fenster herrschte diesige Dämmerung. Es war später Freitagnachmittag, und ihr Chef war immer noch da, und bereits das hatte in ihr böse Ahnungen erweckt, als er sie zu sich bestellt hatte. Freitags machten die Ärzte kurz nach Mittag Feierabend, da Montags bis halb sieben Besprechung war. Die Korridore wurden dann mit einem Mal leer und still, und man hörte durch einen Spaltbreit geöffnete Türen nur noch die ausländischen Gastforscher, die diskret an ihren Computern arbeiteten und deren Familien am anderen Ende der Welt lebten.
Regina Hertz hatte eine langwierige Operation ausgeführt, während der sie stundenlang hatte stehen müssen, und war gerade damit beschäftigt gewesen, konzentriert das Operationsprotokoll zu diktieren, als er sie angerufen hatte. Nach dieser Unterbrechung hatte sie den Faden wieder aufgenommen und fertig diktiert, ehe sie in sein Büro geeilt war.
Ihr Chef trug ihr, sobald sie die Schwelle überschritten hatte, sein Anliegen vor.
»Unglaublich!«, sagte sie atemlos und studierte eingehend die Papiere, die er ihr vorgelegt hatte.
Dann schlug sie die Beine übereinander, begann mit dem einen grünen Bein zu wippen und genehmigte sich eine Portion Kautabak, die sie sich unter die Oberlippe schob. In aller Eile hatte sie einen weißen Kittel über die OP-Kleidung gezogen. Ihr Haar klebte verschwitzt am Kopf, und die Abdrücke vom Mundschutz waren noch auf den Wangen zu sehen. Eigentlich hatte sie Hunger. Aber das musste warten.
Allmählich spürte sie, wie der Tabak das Hungergefühl vertrieb.
Während sie noch auf die vier Dokumente starrte, berichtete ihr Chef mit verbissener Miene von Christina Löfgrens Besuch und seinen unmittelbaren Maßnahmen. Er erwähnte nicht, dass er erst vorgehabt hatte, die leidige Sache auf Montag zu verschieben, dass ihm aber im Personalfahrstuhl unbehaglich gewesen sei und dass er deswegen in sein Büro zurückgekehrt sei und sich die Akte habe kommen lassen.
Die Fälschung war wirklich nicht leicht zu durchschauen.
»Siehst du es?«, fragte er und deutete auf die Papiere.
»Kaum zu glauben!«, erwiderte sie mit Nachdruck. »Ganz unglaublich, dass jemand es wagt, so zu bluffen.«
Möglicherweise war der Briefkopf des Arbeitsplatzes eingeklebt. Das wirkte irgendwie unprofessionell.
»Viele Dinge sind unbegreiflich.«
Wollte er jetzt anfangen zu philosophieren? Sie wartete auf eine Erläuterung, die aber nicht kam.
»Aber irgendetwas stimmte nicht mit ihm«, sagte sie. »Darin waren sich alle außer vielleicht Eskil immer einig.«
Sie
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