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Verdacht auf Mord

Verdacht auf Mord

Titel: Verdacht auf Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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auch noch das große Fenster.
    »Nun gut«, meinte sie. »Jetzt wird es heikel. Melinda wechselte im letzten Jahr die Klasse.«
    »Wir nehmen uns erst die Klasse vor, die sie besucht hat, und dann ihre ehemalige«, sagte Claesson.
    Kerstin Malm holte den richtigen Ordner, nahm die Zeugnisse heraus und teilte sie aus. Zwanzig Minuten später waren sie fertig. Kein Treffer.
    »Die Zeugnisse sind wirklich sehr unterschiedlich«, meinte Peter Berg. »Ziemlich schlimm, Menschen so zu klassifizieren. Das bringt manch einen in eine schwierige Lage. Es ist wirklich wichtig, dass die Lehrer auch gerecht sind.«
    »Gerechtigkeit gibt es nicht«, erwiderte Kerstin Malm. »Jedenfalls nicht auf den Millimeter. Schließlich teilen Menschen diese Noten aus. Aber ein besseres System haben wir nun einmal nicht.«
    Für eine Direktorin ist das ziemlich scharfsichtig, dachte Peter Berg. Noten erweckten in ihm ein Gefühl des Unbehagens. Man wurde verurteilt, obwohl man lieber in Ruhe gelassen worden wäre. Er hatte immer zur breiten Masse gehört, dem großen anonymen Mittelfeld. Was in gewisser Weise recht gut gewesen war. Im Laufe der Jahre war er selbstbewusster geworden, und er hatte erkannt, worin seine Stärke lag. Bei Verhören unter anderem. Da besaß er eine Begabung, vielleicht hauptsächlich, weil er so gut im Zuhören war. Das war einfach so. Claesson hatte ihn dafür gelobt, und das hatte ihm Mut gemacht.
    »Manche bringen es weit, andere erreichen gar nichts, aber leben trotzdem gut«, meinte Claesson, als hätte er seine Gedanken gelesen.
    »Und manche sind auch Spätzünder«, sagte Kerstin Malm, um das Gleichgewicht zu wahren. »Das soll man nicht vergessen. Sie wählen den zweiten Bildungsweg oder finden eine andere Aufgabe im Leben. Sofern sie nicht stecken bleiben, die Kontrolle verlieren und einfach aufgeben. Es gibt natürlich auch andere Faktoren. Unerwartete Ereignisse.«
    Auch dieses Mal erzielten sie keinen Treffer. Kerstin Malm legte ein paar Ordner auf den Fußboden und ergriff einen neuen. Er enthielt die Zeugnisse von Melindas alter Klasse.
    »Auf ein Neues«, sagte sie und teilte die Zeugnisse mit der Routine aus, die sich bei Lehrern durch das Austeilen von Kopien einstellt.
    Die Spannung stieg. Jetzt kam es darauf an. Sonst mussten sie sich unverrichteter Dinge nach Hause trollen. Beziehungsweise verrichteter, aber ergebnisloser.
    Als sich Kerstin Malm zurücklehnte und die Hände in den Schoß legte, war Claesson klar, dass sie die richtige Ziffernfolge nicht gefunden hatte. Zwei Minuten später stellte er fest, dass sie auch bei ihm nicht aufgetaucht war.
    Peter Berg saß mit dem Rücken zu ihm. Sein Kopf war fast zwischen seinen mageren Schultern verschwunden. Claesson hörte, wie er ein Blatt beiseitelegte. Er wagte nicht nachzusehen, wie viele Berg noch übrig hatte. Er saß genauso unbeweglich da wie Kerstin Malm und wartete. Dann legte Berg ein weiteres Blatt beiseite. Claesson konnte sich nicht mehr beherrschen. Er lehnte sich zur Seite und sah, dass Berg noch mehr als eine Zeugniskopie übrig hatte. Die Spannung war zwar nicht unerträglich, aber spürbar.
    Plötzlich räusperte sich Peter Berg.
    »Ich glaube, ich hab’s«, sagte er ruhig.
    Claesson und Kerstin Malm sprangen auf und beugten sich über Berg. Dieser hatte die Hände auf dem Blatt vor sich liegen.
    »Hier.«
    Er legte den Finger unter die erste Note. »Chemie: 4«, stand da zu lesen.
    Die folgenden Noten stimmten. Geschichte: 3, Mathematik: 3, Musik: 2, Physik: 4, Sport: 3.
    Ihre Augen wanderten zum Namen.
    »Verdammt«, sagte Claesson.
    Gustav Stjärne.
    Kerstin Malm drehte sich um und begann mit vor Aufregung geröteten Wangen die Liste der Fachlehrer herauszusuchen. Dann ließ sie den Ordner langsam sinken.
    »In Chemie hatte er George Johansson.«
    Die Enttäuschung war Claesson anzumerken.
    »Aber in Mathe und Physik hatte er Jan Bodén«, sagte sie und schlug den Ordner zu.

    In Lund regnete es in Strömen. Der Asphalt glänzte, und die blaue Bankfiliale auf der anderen Straßenseite war kaum zu erkennen. Der Herbst war nun unabänderlich eingetroffen. Das Wetter war wechselhaft. Sonne, dann wieder Regenguss. Gillis Jensen hatte immer seinen Regenanzug in der Satteltasche, die in seinem Büro stand. So eine altmodische aus braunem Kunstleder, die man rasch am Gepäckträger einhängen konnte und die, dessen war er sich bewusst, eine Spur lächerlich aussah. Seine Tochter hatte ihm vor Jahren schon verboten, sich in ihrer

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