Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)
angekommen, führte er eine Telefonkarte ein, die ihm ein Kollege anlässlich der Geburt seines Kindes geschenkt hatte. Mit einem Foto von dem Baby. Er wählte die Nummer von Yasukos Mobiltelefon. Vielleicht hörte die Polizei ihren Festnetzanschluss ab. Es hieß zwar immer, die Polizei dürfe keine gewöhnlichen Bürger abhören, aber daran glaubte er nicht.
»Ja?«, meldete sich Yasuko. Ishigami hatte ihr seinen Anruf angekündigt.
»Ich bin’s, Ishigami.«
»Ah …«
»Die Polizei war bei mir. Bei Ihnen sicher auch?«
»Ja, gerade erst.«
»Was haben die Kommissare gefragt?«
Ishigami hörte sich Yasukos Bericht an, ordnete und analysierte in Gedanken die Fakten und speicherte sie ab. Offenbar hegte die Polizei noch keinen konkreten Verdacht gegen Yasuko. Die Frage nach ihrem Alibi war vermutlich nur Routine gewesen. Sicher würde man es überprüfen, aber ein dringender Verdacht bestand wohl nicht. Sollten die Polizisten jedoch herausfinden, dass Togashi seine Ex-Frau an dem betreffenden Tag aufgesucht hatte, würden sie Yasuko beim nächsten Mal in die Mangel nehmen. Und ihrer Behauptung, Togashiin letzter Zeit nicht gesehen zu haben, nachgehen. Aber darauf hatte Ishigami sie schon vorbereitet.
»Haben die Kommissare mit Ihrer Tochter gesprochen?«
»Nein, Misato war im hinteren Zimmer.«
»Gut. Aber irgendwann werden sie Misato auf jeden Fall befragen. Wir haben ja besprochen, wie Sie sich dann verhalten.«
»Ja, Wir machen alles so, wie Sie es uns erklärt haben. Misato sagt, sie schafft es.«
»Ich will nicht penetrant sein, aber sie braucht nicht übermäßig zu schauspielern. Sie soll einfach nur die Fragen beantworten, die man ihr stellt.«
»Ja, ich sage es ihr.«
»Haben Sie der Polizei die abgerissenen Kinokarten gezeigt?«
»Nein, Sie hatten ja gesagt, ich solle sie nur zeigen, falls sie ausdrücklich danach fragen.«
»Sehr gut. Wo bewahren Sie die Karten auf?«
»In einer Schublade.«
»Legen Sie sie bitte in das Programmheft. Niemand hebt abgerissene Kinokarten in einer Schublade auf. Damit könnten Sie sich verdächtig machen.«
»Ich verstehe.«
»Übrigens …« Ishigami schluckte und umfasste den Hörer fester. »Ist den Inhabern des
Benten-tei
bewusst, dass ich beinahe regelmäßig mein Mittagessen dort kaufe?«
»Wie bitte?« Die unerwartete Frage verwirrte Yasuko für einen Moment.
»Wissen die Leute, dass der Mann, der neben Ihnen wohnt, regelmäßig in ihrem Laden kauft? Es ist wichtig, geben Sie mir also bitte eine ehrliche Antwort.«
»Äh, ja, es ist tatsächlich so. Neulich sagten sie, sie freuten sich über einen so treuen Kunden.«
»Und wissen sie auch, dass ich Ihr Nachbar bin?«
»Ja. Ist das schlimm?«
»Nein. Ich werde darüber nachdenken. Sie machen einfach alles so, wie wir es besprochen haben, ja?«
»Ja.«
»Tja, das wär’s dann«, sagte Ishigami und wollte auflegen.
»Herr Ishigami?«
»Was ist denn?«
»Ich wollte mich bei Ihnen bedanken. Wir stehen sehr in Ihrer Schuld.«
»Aber nein …« Ishigami zögerte. »Also bis dann«, sagte er und legte auf.
Bei Yasukos letztem Satz war ihm das Blut ins Gesicht geschossen. Und unter den Achseln brach ihm der Schweiß aus. Er glühte am ganzen Körper, doch der kalte Wind tat ihm wohl.
Beglückt machte Ishigami sich auf den Heimweg. Aber seine gute Stimmung hielt nicht lange an. Sie wurde durch das, was er über das
Benten-tei
erfahren hatte, erheblich getrübt. Er hatte im Gespräch mit den Kommissaren einen Fehler begangen. Auf ihre Frage, wie gut er Yasuko Hanaoka kannte, hatte er nur gesagt, sie würden sich grüßen. Er hätte unbedingt hinzufügen sollen, dass er in dem Bento-Geschäft kaufte, in dem sie arbeitete.
»Habt ihr Yasuko Hanaokas Alibi überprüft?«, fragte Mamiya, während er sich die Nägel schnitt. Er hatte Kusanagi und Kishitani zu sich gerufen.
»In der Karaoke-Bar konnten sie sich an sie erinnern«, antworteteKusanagi. »Die beiden scheinen dort bekannt zu sein. Und sie waren auch eingetragen. Sie haben ab 21 Uhr 40 eineinhalb Stunden lang gesungen.«
»Und davor?«
»Im Kino müssen sie in der Sieben-Uhr-Vorstellung gewesen sein. Sie war um 21 Uhr 10 zu Ende. Wenn sie anschließend noch Nudeln gegessen haben, kommt das genau hin«, erklärte Kusanagi mit einem Blick auf seine Notizen.
»Ich habe nicht gefragt, ob es hinkommt, sondern ob ihr das Alibi überprüft habt.«
Kusanagi klappte sein Notizbuch zu und ließ die Schultern hängen. »Nur die
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